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Der Hadrianswall: Roms nördlichste Grenze

Vor 30 Jahren wurde eine der heute bekanntesten Touristenattraktionen Nordenglands von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt: der Hadrianswall. Im Jahr 2017 präsentieren zehn Museen am Wall aus diesem Anlass die Sonderausstellung Hadrians Cavalry. Einzigartiger Höhepunkt ist die Reenacment-Show Hadrians Cavalry Turma, am ersten Juli-Wochenende in Carlisle. Für mich Anlass, der einstigen Nordgrenze Roms einen Besuch abzustatten.

Mein Flieger landet gegen Mittag in Edinburg und so bleibt auf dem Weg nach Carlisle noch Zeit für einen Abstecher zum Hardknott Pass im Lake District Nationalpark. Der Pass ist bekannt für seine Steigungen von streckenweise 30 Prozent. Mich aber interessieren neben der tollen Landschaft vor allem die Reste des römischen Forts aus dem frühen 2. Jahrhundert, dass an der Passstraße liegt. Die hatten ursprünglich die Römer gebaut, um ihren Marinestützpunkt beim heutigen Ravenglass mit der Garnison in Galava, dem heutigen Ambleside, zu verbinden.

In Carlisle, dem römischen Luguvalium, findet nicht nur das Reiterfest statt (die BBC hat übrigens einen schönen Film darüber gemacht), im Tullie House Museum and Art Gallery gibt es eine sehenswerte Dauerausstellung über die römische Zeit Nordenglands und eine nicht minder sehenswerte Sonderausstellung über die “Wächter am Rande des Imperiums”. Die waren schon ziemlich von sich überzeugt. Auf einem Grabstein lässt sich der Reiter Flavinus der in Gallien aufgestellten Ala Petriana einen Briten überreitend darstellen. Wie das seinerzeit aussah, zeigt die Rekonstruktion eines ähnlichen Grabsteinmotivs. Eine Symbiose aus soldatischem Selbstverständnis und imperialer Propaganda.

Weiter geht meine Reise zum Hilfstruppen-Stützpunkt Banna bei Gilsland. Besser bekannt ist er unter dem heutigen Namen des Ortsteiles, auf dem das Kastell liegt: Birdoswald. Nach dem Anzug der Römer im 4. Jahrhundert blieb dieses Kastell wohl noch zwei Jahrhunderte bewohnt. Archäologen gehen davon aus, dass im Lager bis in das 6. Jahrhundert noch direkte Nachkommen der römischen Soldaten mit ihren Familien lebten. Sie boten der regionalen Bevölkerung auch einen gewissen Schutz an und wurden dafür von den Bauern der Umgebung versorgt. Heute würde man das wohl ein Warlord-System nennen.

In der näheren Nachbarschaft des Kastells Birdoswald liegen zwei Highlights des Hadrianwalls: das Römische Armee Museum und das Reiterkastell Vindolanda. Darüber habe ich zwei gesonderte Beiträge verfasst. Danach geht es weiter zum Fort Housesteads. Das antike Vercovicium ist in Archäologenkreisen bekannt für das schönste Klo am Wall. Nein, die besterhaltene öffentliche Latrine muss es heißen. Sehenswert ist auch das kleine Museum, das sich zwischen dem Parkplatz und dem Kastell auf dem Hügel in die Landschaft schmiegt. Das Kastellgelände müssen sich die Besucher mit einer ortsansässigen Schafherde teilen.

Chesters Roman Fort ist die nächste Station auf meinem Weg entlang des Hadrianswall. Heute regnet es im früheren Cilurnum, daher gehe ich zuerst in das kleine Museum. Schlicht in der Konzeption, doch mit sehenswerten Stücken. Wie die Inschriften auf einigen Weihealtären zeigen, standen viele Germanen im Dienste Roms und dienten in Britannien. Sehenswert sind die Reste des Badehauses, von der alten Brücke über den North Tyne ist dagegen kaum noch etwas übrig. Ein Stück weiter liegt die moderne Brücke. Über sie fahre ich dann nach Corbridge.

In Corbridge regnet es immer noch. Das stört die meisten hier nicht weiter. Neben Schirmen wird vorzugsweise Regenjacke zur kurzen Hose getragen. Nach einer Runde über das große Nichts des ehemaligen römischen Lagers Coriosopidum schaue ich mir die Ausstellungsstücke im kleinen Museum an. Hier hat man 1964 Teile einer lorica segmentata gefunden, den Schienenpanzer der römischen Legionäre. Er lag in einer eisenbeschlagenen Holzkiste mit Waffenteilen, weiteren Ausrüstungsgegenständen und Werkzeugen. Vielleicht stammt die Kiste aus der Waffenmeisterei der Corbridge Garnison. Den Grabstein des Reiters Flavinus gibt es hier in einer farbigen Replik zu sehen.

Der Großraum Newcastle Upon Tyne lockt mit gleich drei Sehenswürdigkeiten. Mit der Hadrianswall Ausstellung im Great North Museum Hancock und den beiden römischen Militärstützpunkten Arbeia in South Shields und Segedunum in Wallsend. Das Museum der Universität erfreut nicht nur durch seine schöne Ausstellung, sondern auch durch die ungezwungene Atmosphäre. Ganz besonders schön: erstmals waren die Reliefs und Altäre des Mithras Kultes im Great North Museum durch Leihgaben aus dem Londoner Mithräum ergänzt. Den Mithras Kult verbreiteten die römischen Soldaten im ganzen Imperium Romanum.

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Oben: Die Hadrianswall Ausstellung im Great North Museum Hancock in Newcastle Upon Tyne. Zeugnisse des Mithras-Kultes im römischen Britannien im Great North Museum.

An der südlichen Tyne-Mündung liegt das Kastell Arbeia, ein Hilfstruppenkastell und eines der Nachschubzentren für den Hadrianswall. Hier kann man mehr als Mauerreste sehen: Das wiederaufgebaute Westtor und der Nachbau eines der Kasernengebäude mit einem Teil des Prätoriums auf den Originalfundamenten geben einen anschaulichen Einblick in das Leben der römischen Soldaten. Im Laufe der 300 Jahre lagen hier Legionssoldaten und Hilfstruppen aus dem heutigen Spanien, aus Frankreich, Ungarn und wohl auch aus der Türkei oder dem Irak.

Meine letzte Station ist das antike Segedunum, ein römisches Kastell auf dem Gebiet der Stadt Wallsend zwischen South Shields und Newcastle Upon Tyne. Der Ortsname leitet sich natürlich vom römischen Hadrianswall ab, der hier endete bzw. begann. Vom Wanderweg am Fluß ist die Aussichtsplattform beim Museumsgebäude schon von weitem zu erkennen. Von ihr hat man aus 30 Meter Höhe einen Blick auf die Grundmauern des Kastells und auf das wiederaufgebaute Lagerbad. Leider war es geschlossen. Das Museum beherbergt eine gut gemachte Ausstellung mit Nachbildungen aus dem römischen Militärlager, Souvenirshop und Cafe.

Wallsend hat übrigens einen berühmten Sohn, Gordon Matthew Thomas Sumner, besser bekannt als Sting. In seinem Song All this time heißt es:

Die Lehrer haben uns erzählt, dass die Römer diesen Ort erbaut haben. Sie haben eine Mauer und einen Tempel gebaut. Am Rande des Weltreiches in der Garnisonsstadt. Sie lebten und starben, sie beteten zu ihren Göttern. Aber die Steingötter gaben keinen Ton von sich. Und ihr Weltreich zerbrach, bis alles, was übrig war, die Steine waren, die die Arbeiter gefunden haben.

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