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Orange: Stadt der Ehemaligen

Sonntagmorgen in Orange: Neben wenigen Touristen sind auch einige ehemalige Soldaten schon unterwegs.

Ein paar Veteranen der Fremdenlegion legen an einem Denkmal unweit des römischen Theaters aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. einen Kranz nieder. Die Gendarmerie stellt eine kleine Ehrenformation, die Marseillaise ertönt vom Band. Heute wie vor 2000 Jahren, als die Stadt noch Arausio hieß und der spätere Kaiser Augustus hier Veteranen der 2. Legion ansiedelte, lebt die Kleinstadt in der nördlichen Provence vorwiegend vom Militär und den ehemaligen Soldaten.

Die machten aus der ehemals keltischen Siedlung eine römische Stadt und bauten sie im Laufe der Zeit mit Straßen und Wasserleitungen, Befestigungen und Forum, Tempeln und Thermen, Theater und Triumphbogen aus. Heute nimmt man an, dass der Triumphbogen eher zum Gedenken anlässlich der Stadtgründung errichtet wurde. Fast 20m hoch und ungefähr genau so breit, lag er an der Via Agrippa nach Lugdunum (Lyon) und diente Arausio als nördliches Stadttor. Schwierig ist die genaue Datierung seiner Errichtung. Ein bei Restaurierungsarbeiten gefundenes bronzenes “L” erwies sich nicht als römische Zahl 50, sondern einfach nur als Haken. Ein eiserner Adler war daran befestigt.

Highlight der Sehenswürdigkeiten, und wie der dreitorige Stadtgründungsbogen ebenfalls seit 1981 Unesco Weltkulturerbe, ist das römische Theater von Orange. “Die schönste Mauer meines Königreiches” soll der französische Sonnenkönig Ludwig XIV die imposante Bühnenwand genannt haben. Hier konnten sich bis zu 10.000 Alteingesessene und Zugezogene bei Komödien, Pantomimen oder Dichterlesungen vergnügen und den römischen Lebensstil pflegen. Vor 2000 Jahren war der Eintritt frei, aktuell zahlt man für eine Aufführung beim jährlichen Festival Chorégies d’Orange zwischen 30 und 260 Euro für eine Karte. Geld und soziale Stellung haben nach wie vor Einfluss auf die Sitz- und Rangordnung: Die teuren Plätze sind unten und seinerzeit saßen dort auf zum Teil namentlich gekennzeichneten Sitzen die Mitglieder der lokalen Elite von Arausio. Dafür tragen die Einnahmen aus den Veranstaltungen neben Steuergeldern und dem privaten Engagement von Spendern, Stiftern und Sponsoren dazu bei, das kulturelle Erbe zu erhalten und auch z.B. sozial oder wirtschaftlich benachteiligten Kindern und Jugendlichen den Besuch zu ermöglichen.

Das schöne Theater weckt Erinnerungen an das römische Amphitheater von Bosra, das ich 2010 besucht habe. Es ist etwas größer und wurde etwas später gebaut. Leider geht der Bürgerkrieg in Syrien auch an den antiken Stätten nicht spurlos vorbei.

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