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Schwerter, Brot und Spiele

Es ist 4:31 Uhr und ich springe gutgelaunt aus dem Bett, nachdem das Smartphone mir 60 Sekunden lang London Calling von den Clash um die Ohren gehauen hat.

Aber nicht London ruft, sondern Europas größtes Römerfest “Schwerter, Brot und Spiele” in Xanten. Mit dem ersten Flieger geht es von Berlin nach Düsseldorf, mit dem Zug dann weiter über Duisburg nach Xanten. Der Himmel über Colonia Ulpia Traiana und dem einstigen Grenzland des römischen Reiches ist dunkelgrau, es regnet in Strömen. Das ist Germanien!

Das Amphitheater füllt sich, heute treten die Kämpfer der Gladiatorenschule Amor Mortis auf. Auf dem nassen Sand der Arena geht es bald handfest zur Sache, die beiden Schiedsrichter müssen häufig eingreifen. Die Zuschauer ducken sich derweil unter Schirm und Regenumgang. Doch unter der sensiblen Haut schlägt offenbar bei vielen ein Kämpferherz, jedenfalls lassen die lautstarken Kommentare zum Kampfgeschehen darauf schließen.

Danach muss ich mich sputen, denn am andere Ende des weitläufige Areals will die römische Artillerie zeigen, was sie kann. Das fällt aber ins Wasser. Weil es ziemlich regnet, ich auch keinen guten Platz zum fotografieren habe und die Legionäre immer noch herumexerzieren, gönne ich mir erstmal eine römische Bratwurt und ein Gläschen Gewürzwein. Die vielen offenen Herdfeuer der Darstellergruppen qualmen im Nieselregen vor sich hin und verbreiten Authentizität. Der halbe Tag ist bald herum und jetzt heißt es Nägel mit Köpfen machen. Auf meiner Agenda stehen noch der große Festumzug, die römischen Militärreiter und die große Legionsvorführung.

Ich denke an Robert Capas goldene Regel “Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran” und schiebe mich durch die Zuschauer an die vor den Resten des Hafentempels vorbeimarschierenden Legionäre heran. Heute sieht man viele Veteranen, das Kettenhemd spannt mitunter bei dem einen oder anderen. Aber es gibt auch andere Gruppen. Die Jungs von der 21. Legion Rapax machen beispielsweise einen robusten Eindruck und sehen aus, als ob sie schon zum Frühstück die ersten Barbaren aus dem Feld gehauen hätten. Die Legionäre sind jetzt an mir vorbei und ich laufe quer über den Rasen und erwische die letzten Einheiten nochmal von der Schildseite, als sie in die Arena des Amphitheaters einziehen. Wenn die Fotos jetzt nichts geworden sind, liegt es wohl daran, dass ich nicht Robert Capa bin.

Als nächstes sehe ich mir auf der Wiese zwischen Amphitheater und den Rekonstruktionsbauten verschiedener antiker Häusertypen die Vorführungen der Reiter Roms von der Gruppe Timetrotter an. Die machen ihren Job wirklich gut und ein unverhofftes Vergnügen sind die erfrischenden Kommentierungen der Sprecherin z.B. nach den Lanzenattacken auf Strohballen: “Und wieder zwei Feinde Roms niedergemacht. Bitte Applaus!” Das kam aber auch bei den anwesenden Germanen gut an und es ist ja auch schon lange her, seit das blutiger Ernst war. Abgesehen davon, waren unter den Reitern Roms wie auch bei den Hilfstruppen viele Germanen. Römischer Soldat zu sein, war eine lange Zeit eine attraktive Berufs- und Lebensperspektive.

Der Eröffnungstag von “Schwerter, Brot und Spiele” schreitet voran und der Blick auf die Uhr zeigt, dass jetzt die Zeit für die Legionsvorführungen der legendären Ermine Street Guard Roman Reenactment Society gekommen ist. Die Römer aus Britannien bewegen sich mit Waffen und Ausrüstung so selbstverständlich wie ihre zeitgenössischen Vorfahren. Während sich die Einheiten noch sammeln, posieren einige Legionäre mit Besuchern, bekunden das sie nicht für den Brexit gestimmt haben oder genießen die kurze Regenpause. Dann marschieren alle in das abgesteckte Areal ein, was sehr eindrucksvoll aussieht. Eine kleine Gruppe muss zeigen, wir umfangreich und schwer das Gepäck der Soldaten war. Sie marschieren mit umgehängten Schild, Waffen und Ausrüstung, zusätzlichem Wurfspieß und zwei Schanzpfählen einmal rundherum an den Zuschauern vorbei. Die Feldzeichenträger haben es besser. Sie beziehen in der Mitte des Feldes würdevoll Position und halten diese.

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Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. kennt man den Vorläufer des Ponchos. Die paenula ist ein römischer Überziehmantel mit Kapuze.

Jetzt es ist höchste Eisenbahn, denn um die rechtzeitig zu erwischen, muss ich leider los. Mit der Bahn und einem verspäteten Flieger geht es zurück nach Berlin. Schade, dass die Römer es nicht bis hierhin geschafft haben. Aber so gibt es viele Anlässe für kleine und große Reisen. Das nächste Römerfest “Schwerter, Brot und Spiele” in Xanten wird wohl 2018 stattfinden. In meinem Youtube Kanal gibt es auch noch zwei Videos aus Xanten.

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