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2000 Jahre alte Briefe aus Vindolanda

An Sulpicia Lepidina, Vindolanda: „Claudia Severa sendet ihrer Lepidina einen Gruß. Am dritten Tage vor den Iden des September bitte ich gerne, Schwester, zu meinem feierlichen Geburtstag. Mach doch, dass Du zu uns kommst. Den Tag wirst Du mir durch Dein Kommen erfreulicher machen. Grüße Deinen Cerialis. Mein Aelius und der kleine Sohn lassen grüßen. Ich hoffe auf Dich, Schwester. Es möge Dir gut gehen, Schwester, meine Seele, dann geht es auch mir gut, Du liebste. Und gehab Dich wohl.“

Der Brief von Claudia Severa gehört zu über 1000 hölzernen Schreibtäfelchen, die man im römischen Kastell Vindolanda am Hadrianswall in England gefunden hat und wieder lesbar machen konnte. Severas Geburtstagseinladung ging an die Ehefrau von Flavius Cerialis, Präfekt der um 100 nach Christus in Vindolanda stationierten 9. Bataverkohorte. Aus anderen Briefen weiß man, dass Severa die Frau von Aelius Brocchus war, Kommandant eines anderen Stützpunktes an Roms nördlichster Grenze.

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Die Briefe geben einen wichtigen Einblick in das zivile und militärische Leben im Grenzland des Imperiums. Zu verdanken ist das vor allem drei Generationen der Familie Birley. Heute ist der Archäologe Andrew Birley Direktor der Ausgrabungsstätte Vindolanda nahe dem Dorf Bardon Mill in der Grafschaft Northumberland. Sein Großvater Eric Birley kaufte 1929 das Land und begann mit umfangreichen Grabungen. Dessen Sohn Robin Birley führte die Arbeit fort und gründete 1970 die gemeinnützige Vindolanda-Stiftung, um die historische Stätte und die Funde der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Ausgrabungsstätte von Kastell und Lagerdorf, das Museum mit einer Vielzahl von Funden und interessanten Ausstellungsstücken, mehrere Rekonstuktionsbauten und nicht zuletzt die Außenstelle, das römische Armeemuseum, machen Vindolanda neben der schönen Natur zum Highlight am Hadrianswall.

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Schautafeln im Nymphentempel geben Einblick in antike Familienstrukturen.

Die Familie des Centurio Africanus. Er dient in der 4. Gallischen Kohorte der römischen Hilfstruppen und stammt wohl aus einer der afrikanischen Provinzen des Imperium Romanum. Mit seiner Frau Tullia, Tochter eines römischen Soldaten, hat er einen Sohn, der Rufus heißt. Der ist 10 Jahre alt und will später einmal Soldat werden wie sein Vater.

Kaiser Augustus verbot seinen Soldaten während ihrer Dienstzeit die Ehe. Die Lebenswirklichkeit umging dieses Verbot in vielen Varianten und die Rechtsprechung legalisierte dies immer mehr, bis Kaiser Septimius Severus die offizielle Eheerlaubnis erließ.

Im Vindolandamuseum sind einige Originale der Holztäfelchen ausgestellt. Vor allem aber kann man in den nummerierten und thematisch sortierten Schautafeln stöbern. Dort findet man Auszüge aus Militärakten und Proviantlisten, Meldungen über Truppenbewegungen und Kampfeinsätze sowie private Korrespondenz einzelner Soldaten und Zivilisten. Auf dem Täfelchen 261 wünscht ein Hostilius Flavianus dem Kommandaten der 9. Bataverkohorte ein erfolgreiches und glückliches neues Jahr. Auf Täfelchen 628 fragt Masclus, Anführer einer abkommandierten Reitereinheit beim Lagerpräfekten nach, ob alle Soldaten seiner Truppe ins Lager zurückkehren sollen oder nur jeder Zweite. Außerdem sei das Bier ausgegangen und Flavius Cerialis möge befehlen, das neues geschickt wird. Einige hundert der gefundenen Schreibtäfelchen sind auch über eine Online-Datenbank zugänglich. Im Sommer 2017 wurden neue Briefe gefunden.

Neben dem Museum befindet sich ein kleines Lapidarium und ein nachempfundener Friedhof für einige der Menschen, die man aus den Vindolanda-Briefen kennt. Hier ruht zum Beispiel Attico, Schreibstubenunteroffizier in der 9. Bataverkohorte des Felicio. Er lebte 25 Jahre und diente 8 Jahre. Den Grabstein haben seine Erben errichtet, lautet die Inschrift auf einem der Steine. Eine Tafel auf der Terrasse des kleinen Restaurants hält die Erinnerung an die Soldaten wach, die Rom in Vindolanda gedient haben. Viele der hier über die Jahrhunderte stationierten Einheiten gehörten zu den römischen Hilfstruppen. In Vindolanda dienten oftmals Germanen und Gallier, zeitweise auch Soldaten aus dem heutigen Spanien.

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