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Stadtrundgang durch das römische Tarragona

I. EIN TAG IN TARRAGONA

Die Stadt des ewigen Frühlings nannten die Römer Tarraco wegen des milden Klimas. Besucht man Tarragona Anfang Mai, zeigt sich der Frühling von seiner sonnigen Seite. Während es in Barcelona morgens in Strömen aus dunklen Wolken regnet, bringt mich der Regionalzug der Frühlingsonne entgegen. Zehn Minuten vor Tarragona ist der Himmel blau und der Regen weg. Und das bleibt auch am zweiten Tag meines Besuches so. Das römische Tarragona schafft man nicht an einem Tag zu besichtigen.

Seit hier im Jahr 218 vor Chr. römische Legionäre landeten und ihre erste Garnison zur Eroberung der Iberischen Halbinsel errichteten, hat sich viel getan. Aus dem Militärlager erwuchs eine Stadt, die 400 Jahre später in ihrer Blüte stand. Stadtmauer, Forum, Therme, Theater, Amphitheater, Wagenrennbahn, Aquädukt, Nekropole, alles war da. Jahrhunderte später baute man ein archäologisches Museum dazu und komplettierte damit die Besichtigungstour für die Touristen.

Mein Rundgang durch das römische Tarragona führt mich vom Bahnhof zuerst zum Amphitheater. Die Arena von Tarraco wurde Anfang des 2. Jahrhunderts erbaut. Hier kämpften Gladiatoren und starben Verbrecher und Christen. Weder die schönste noch die berühmteste Ruine einer Arena im Imperium Romanum, aber mit Blick auf das Meer. Der war wohl damals schon so schön wie heute, denn das Amphitheater lag außerhalb der Stadtmauer.

Vom Amphitheater sieht man schon stadteinwärts ein Gebäude mit einer Statue von Kaiser Augustus. Es ist das Archäologische Nationalmuseum. Zwei Jahre regierte Augustus das Imperium Romanum von Tarraco aus. Der kurze Weg dorthin kreuzt die Via Augusta, die früher Tarraco mit Narbo Martius verband. Das Museum hat leider wegen Renovierungsarbeiten seit Kurzem zu. Pech. Die schönsten Stücke werden während der Schließung in einem Gebäude am Hafen gezeigt. Leider hat es noch nicht auf. Doppeltes Pech.

Gleich hinter dem Archäologischen Museum liegt das sogenannte Prätorium, ein Turm an der Stadtmauer, über dessen Treppen man vom unteren Stadtteil über den Zirkus bis zum Provinzforum gelangte. Am Eingang grüßt die kapitolinische Wölfin. Das bronzene Symbol Roms säugt die mythologischen Stadtgründer Romulus und Remus. Im Turm befindet sich das Geschichtsmuseum mit einigen interessanten Inschriftensteinen. Vom Dach des Turmes hat man eine tollen Panoramablick. Verlässt man diesen Teil der ehemaligen römischen Provinzhauptstadt, kommt man wie früher direkt zum Circus. Wagenrennen waren die Top-Ereignisse in Rom und den Provinzen, noch vor den Gladiatorenkämpfen in den Arenen. Die Wagenlenker waren gefeierte Idole und manche auch Spitzenverdiener.

Panoramablick vom ehemaligen Prätorium über die Dächer Tarragonas

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Erinnerung an eine große Vergangenheit. Hier befand sich im römischen Tarraco die Wagenrennbahn. Dahinter lag das Provinzialforum der Stadt. Viele Gewölbe unter den Zuschauertribünen der Wagenrennbahn des antiken Tarraco sind noch erhalten.

Wie der aus der Nachbarprovinz Lusitania stammende Gaius Appuleius Diocles. Bei Wagenrennen im Circus Maximus in Rom gewann er Preisgelder in Höhe von fast 36 Millionen Sesterzen. Nach 24 Jahren und 4257 Rennen beendete er seine Karriere schließlich im Alter von 42 Jahren. Er lebte etwa zur gleichen Zeit wie Eutyches, ein Wagenlenker aus Tarraco, dessen Grabstein erhalten ist. Er starb mit nur 22 Jahren an einer Krankheit. Eine Nachbildung des Grabsteins steht in einem Gang im Circus, das Original befindet sich im kleinen Diözesanmuseum in der Kathedrale von Tarragona. Ich habe mich an einer englischen Übersetzung der lateinischen Inschrift orientiert.

Den Geistern der Ahnen geweiht. Für Eutyches, Wagenlenker, 22 Jahre alt. Flavius Rufanus und Sempronia Diofanis errichteten dieses Denkmal für ihren wohldienenden Sklaven. In diesem Grab ruhen die Knochen eines noch unerfahrenen Wagenlenkers, aber einer der wusste, wie man mit den Zügeln umgeht.

 

Grabstein für den Wagenlenker Eutyches aus Tarraco. Er starb mit nur 22 Jahren an einer Krankheit
"Ich hätte es gewagt, auf eine Quadriga aufzusitzen, aber kam noch nicht über die Teams der Zweiergespanne hinaus. Das grausame Schicksal beneidete mich um meine jungen Jahre und niemand kann sich gegen das Schicksal wenden. Der Ruhm des Zirkus wurde mir bis zu meinem Tod noch nicht gewährt. Die treue Menge vergoss keine Tränen für mich. Eine Krankheit verbrannte meinen Körper und die Ärzte konnten mich nicht heilen. Bitte, Reisender, streue Blumen auf mein Grab. Vielleicht warst du ein Fan von mir, während ich noch lebte."

Weiter auf meiner Tour durch das römische Tarragona geht es zur Plaza del Pallol, um mir im Kulturzentrum das Modell des römischen Tarraco aus dem 2. Jahrhundert anzusehen. Es zeigt die Stadt in ihrer Blütezeit im 2. Jahrhundert. Das schlichtere Modell im Geschichtsmuseum, veranschaulichte wie Tarragona im Mittelalter aussah. Danach reicht die Zeit noch für einen Abstecher zum römischen Theater. Es liegt in der Nähe des städtischen Forum und lässt sich nur von außen besichtigen. Betreten kann man das Areal nicht. Da es am Hang liegt, hat man von einer kleinen Grünanlage oben an der Carrer dels Caputxins eine guten Blick auf die Reste des einst prächtigen Theaters.

II. TARRAGONA TAG ZWEI

Am zweiten Tag nehme ich wieder den gleichen Regionalzug von Barcelona nach Tarragona. Das städtische Forum hatte am ersten Tag schon zu, aber jetzt am frühen Vormittag liegt der einst belebte Treffpunkt der Bürger Tarracos fast menschenleer vor mir. Einigen Säulen der Basilika und die Überreste zweier Ladengeschäfte sind die sichtbarsten Zeichen des römischen Erbes. Die Basilika diente als Markthalle, Gerichtssaal und Sitzungssaal des Stadtrates. In den Läden (Tabernae) wurden Waren verkauft, auch Speisen und Getränke angeboten. Sehenswert ist auch die freigelegte römische Straße beim städtischen Forum von Tarraco.

Freigelegte römische Straße beim städtischen Forum von Tarraco

Vor allem habe ich mir für heute den Besuch des römischen Aquäduktes vorgenommen. Das römische Tarragona liegt nicht nur in der Altstadt, es reicht bis an den Stadtrand und ins Umland. Vom Forum sind es nur ein paar Minuten bis zur Prat de la Riba. Von hier fährt ein Bus direkt bis zur Teufelsbrücke (Haltestelle Pont del Diable), wie der Volksmund das Aquädukt von Ferreres nennt. Im 1. Jahrhundert versorgte es zusammen mit einem weiteren Aquädukt die Stadt Tarraco mit Wasser. Nicht so hoch wie die berühmte Pont du Gard in Gallien, aber ebenso schön anzuschauen. Außerdem kann man durch den einstigen Wasserkanal über das Aquädukt laufen. Danach geht es mit dem Bus wieder zurück und in die Welt des Todes von Tarraco.

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Römisches Aquädukt aus dem 1. Jahrhundert, dass die Stadt Tarraco mit Wasser versorgte

Dabei handelt es sich um ein dichtbelegtes und weitläufiges Bestattungsgebiet, das als frühchristliche Nekropole bekannt ist. Die Römer bestatteten ihre Toten außerhalb der Städte und in der Nähe der Zugangsstraßen. Der römische Totenkult vermischte sich im Laufe der Zeit mit christlichen Ritualen und ging dann ab der Spätantike darin auf. Im Besucherzentrum kann man Sarkophage, Grabsteine und Statuen besichtigen. Mit einem Spaziergang entlang der alten römischen Stadtmauer, die über einen Kilometer im alten Stadtviertel noch erhalten ist, endet mein Stadtrundgang durch das römische Tarragona.

Wenn das Archäologische Museum nach der Restaurierung eröffnet wird, komme ich wieder. Dann streue ich auch Blumen auf den Grabstein von Eutyches.

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Bronzestatue von Kaiser Augustus vor der Stadtmauer von Tarraco. Die Statue ist eine Kopie des Typs Augustus von Primaporta aus dem Jahr 1934.

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