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Musée Gallo-Romain Lyon: Schätze unter der Erde

Das Musée Gallo-Romain Lyon kommt bescheiden daher. Ein kleiner Flachbau auf dem Hügel neben den Resten des römischen Theaters. Unter dem Eingang aber sind 5 Stockwerke in den Fels gehauen. Sie beherbergen eine der reichsten archäologischen Sammlungen Frankreichs.

Die Eröffnung des Museumsneubaus in Nimes nehme ich zum Anlass, auch Lyon einen Besuch abzustatten. Mit dem TGV ist man in 1,5 Stunden dort. Das vom Architekten Bernard Zehrfuss entworfene Gallo-Römische Museum im Stadtteil Fourvière schmiegt sich an einen Hügel und ist beinahe zur Gänze unterirdisch. Während das neue Musée de la Romanité in Nimes mit seiner spektakulären Fassade glänzt, entfaltet der Lyoner Betonbunker aus den 1970ern seinen Charme erst nach dem Betreten. Dann aber ist die Überraschung um so größer. Spiralförmig führt eine Rampe zu den Ausstellungsbereichen auf fünf Ebenen. Vor allem unten, im Lagerbereich, fühlt man sich ein bisschen an die Startrampe der Jäger auf dem Kampfstern Galactica erinnert, oder?

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Das Gallo-Römische Museum von Lyon-Fourvière

Zu den Sehenswürdigkeiten des Museums gehören zwei Teile einer großen Bronzetafel mit einer Rede von Kaiser Claudius. Der Princeps argumentiert hier im Jahr 48 gegenüber dem Senat, warum gallische Adelige in den römischen Senat aufgenommen werden sollen. Das Provinzler jetzt auch in höchste gesellschaftliche und politische Kreise einziehen, kam bei den alten Senatorenfamilien nicht so richtig gut an. Claudius verweist auf viele Beispiele guter Integration und sagt: “Wenn einer erwägt, dass jene Leute 10 Jahre lang den vergöttlichten Julius Cäsar mit Krieg geplagt haben, dann möge er ihre unwandelbare Treue von 100 Jahren und ihren während vieler banger Situationen mehr als erprobten Gehorsam dagegen halten.” Vielleicht hat zu der integrativen Haltung nicht nur politische Vernunft, sondern auch die eigene Biographie beitragen. Claudius war der erste römische Kaiser der außerhalb Italiens geboren wurde. In Lugdunum, dem heutigen Lyon. Das verband ihn auch mit seiner zweiten Frau, Agrippina der Jüngeren. Sie wurde im heutigen Köln geboren und brachte ihren Mann dazu, den Makel in ihrem Lebenslauf zu korrigieren und das Provinzkaff an der Grenze zum barbarischen Germanien zur Colonia zu machen und nach ihr zu benennen.

An anderer Stelle im Museum listet eine Steintafel Mitglieder einer Vereinigung von Unternehmern auf, vielleicht waren sie Handwerker oder Kaufleute. Aus Flavia Solva ist eine ähnliche Steintafel mit den Namen der Mitglieder der lokalen Freiwilligen Feuerwehr bekannt. Das brachte handfeste Vorteile mit sich, weshalb die Mitgliedschaft gut dokumentiert sein musste. Eine andere Inschrift, wohl unter einer Ehrenstatue, nennt einen Caius Apronius Raptor (hießen nicht die Aufklärungsflugzeuge der Galactica Raptor?). Der Verein der Lyoner Weinhändler stiftete ihm zu Ehren die Statue. Raptor war Mitglied des Stadtrates von Trier und wurde offenbar für seine Verdienste um den Handel entlang der Flüsse Saône und Mosel geehrt. Der Inschrift ist auch zu entnehmen, das der Geehrte jedem Weinhändler, der in dem Verein Mitglied war, ein Geldgeschenk von 5 Denar machte. Eine Hand wäscht die andere. Eine Grabstele erinnert an den Reitersoldaten Klaudius Ingenuus. Er war Offizier und diente in einer römischen Reitereinheit im 4. oder 5. Jahrhundert, den sogenannten Kataphrakten. Reiter und Pferd waren ähnlich wie die späteren Ritter gepanzert. Schließlich bleibe ich noch vor einem Steinblock mit einer Ehreninschrift für Quintus Licinius Ultor stehen. Er war nach seinem Vater Tauricus und seinem Großvater Sabinus Priester in dritter Generation am „Altar der drei gallischen Provinzen“ in Lyon. Der Altar war der Göttin Roma und dem römischen Kaiser geweiht. Hier bekundeten die gallischen Stämme ihre Loyalität zu Rom und berieten wie ein Landtag über öffentliche Angelegenheiten.

Ein paar “Decks” weiter steht eine schöne Marmorstatue der römischen Göttin Diana. Kopf und Korpus sind Originale aus dem 2. oder 3. Jahrhundert, der Rest der Statue wurde frei interpretiert im 20. Jahrhundert hinzugefügt. Unweit davon steht eine Bronzestatue des römischen Gottes Neptun aus dem 2. Jahrhundert. Sie wurde 1859 bei Lyon aus dem Fluss Rhone geborgen und ist die einzige Großbronze, die aus der Gegend noch erhalten ist.

Ein Steinrelief zeigt römische Legionäre, dicht zusammen in Kampfformation stehend. Es stammt vom Mausoleum in Glanum. Eine Büste von Kaiser Caracalla ist noch zu sehen. Auch er stammt gebürtig aus Lugdunum. Allerdings wurde er fast 200 Jahre nach Claudius geboren. Beim Heer war er sehr beliebt, bei der römischen Oberschicht sehr verhasst. Umgebracht haben ihn dann aber doch seine Soldaten. Etwas weiter steht die Begräbnismaske einer Römerin. Das Steinrelief ist mit ausgehöhlten Pupillen und vor Angst klaffenden Mund dargestellt. Sie repräsentieren die Seelen von Verstorbene, die keine Gräber hatten und die Lebenden verfolgen. Solche Masken wurden an den Wänden von Gehäusen, an Gräbern oder Grabmalen angebracht.

Nicht zuletzt verfügt das Musée Gallo-Romain Lyon über einige sehr beeindruckende Mosaike aus römischer Zeit. Verbunden mit figürlichen Darstellungen und Wandmalereien sind sie Ausdruck von Romanitas, vom römischen Way of Life, in Gallien. Der unterscheidet sich kaum von römischer Lebensart und Selbstverständnis in anderen Provinzen, wie man es beispielsweise auch aus Obergermanien kennt. Das Bodenmosaik “Die Trunkenheit des Herkules” versinnbildlicht die Sinnesfreuden römischer Lebensart. Herkules, ein für seine Stärke berühmter griechischer und auch römischer Heros, steht hier, nackt und betrunken, inmitten einer Dionysosprozession. Von oben sehen die Götter zu. Das Mosaik mit den geometrischen und floralen Mustern um das Hauptbild ist charakteristisch für den sogenannten “Rhône-Stil”, der von Lyon bis zum Mittelmeer reicht. Ursprünglich schmückte das Mosaik einmal eine römische Villa im 2. oder 3. Jahrhundert.

Ein anderes Mosaik zeigt ein Wagenrennen im Circus. Man sieht den Obelisk der Wendemarke, Personen, die wohl Schiedsrichter sind, und in dem Wasserbecken Vorrichtungen, um die Anzahl der gefahrenen Runden darzustellen. Von den antiken Rennställen sind die Grünen, die Weißen und die Roten zu erkennen. Eine Mannschaft ist durch eine Beschädigung des Mosaiks nicht zu erkennen. Dort müssten die Blauen dargestellt sein. Seit der Kaiserzeit gab es organisierte Gruppen von Anhängern der vier Rennställe, die man Zirkusparteien nannte. Sie waren die Ultras, aber auch die Hooligans ihrer Zeit und die Grenze zur organisierten Kriminalität war wohl fließend. Im Jahr 532 kam es in Konstantinopel zu schweren Unruhen und Gewaltausbrüchen.

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Römisches Mosaik zeigt Wagenrennen im Circus

Gallo-Römisches Museum von Lyon-Fourvière
17 Rue Cleberg, 69005 Lyon, Frankreich

Lugdunum spielt übrigens auch eine wichtige Rolle in meiner ersten Kurzgeschichte

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