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Die Bronzen von Riace: Krieger A und Krieger B

An der Spitze des italienischen Stiefels liegt Reggio Calabria. Das Archäologische Museum der Stadt beherbergt zwei der sieben noch vollständig erhaltenen Großstatuen aus griechischer Zeit: die Bronzen von Riace.

Meine Sizilienreise nutze ich für einen Abstecher nach Reggio Calabria. Von Taormina aus ist man mit Zug und Fähre von Messina nach Villa San Giovanni in 2-3 Stunden dort. Das Museo Archeologico Nazionale Di Reggio Calabria an der Piazza De Nava ist ein rechteckiger Klotz im Stil des italienischen Rationalismus. Auf vier Stockwerken wird Kunst von der Antike bis in die Moderne gezeigt.

Im Untergeschoss im Saal III sind die beiden 1972 im Meer gefundenen Bronzestatuen von Riace ausgestellt. Die überlebensgroßen Kriegerstatuen datieren aus der Zeit von 460 bis 430 v. Chr. Ein Hobbytaucher hat sie auf dem Grund des Ionischen Meeres unweit des Ortes Riace Marina in rund acht Meter Meerestiefe gefunden. Im Inventar werden die beiden Statuen als Krieger A und Krieger B geführt.

Krieger A trug über seiner diademartigen Kopfbinde, die ihn als König auszeichnet, einen korinthischen Helm. In der linken Hand hielt er wohl einen schweren griechischen Rundschild und rechts eine Lanze mit breitem Schaft. Krieger B trug eine für die im Norden Griechenlands ansässigen Thraker charakteristische Fuchsfellmütze und war wahrscheinlich mit einen geflochtenen Peltaschild und einer Doppelaxt bewaffnet.

Wen sie darstellen, war lange unbekannt. Vor einigen Jahren kamen Wissenschaftler aus Deutschland und Italien der Antwort näher. Aufgrund ihrer Untersuchungen und farbiger Rekonstruktionen – wie später auch mit anderen Bronzestatuen – identifizieren sie Krieger A als den athenischen König Erechtheus und Krieger B als Eumolpos, einen Sohn des Meeresgottes Poseidon und der thrakischen Nymphe Chione.

Während wir uns heute an der schönen Patina der Bronzen erfreuen, begeisterten sich unsere Vorfahren in der Antike an farbigen und lebensnahen Darstellungen. Damals wie bei der heutigen Rekonstruktion wurde die Illusion sonnengebräunter Haut durch zahlreiche Schichten eines stark verdünnten, mit wenig Rotpigment versehenen Asphaltlacks erreicht. Die Lebensnähe der Bronzestatuen entsteht durch aufwendig gearbeitete Steinaugen, durch Brustwarzen und Lippen aus Kupfer, sowie durch mit Silberblech belegte Zähne. 

Die Geschichte hinter den Statuen geht wohl so: Als Poseidon einen Rachefeldzug gegen Athen anzettelte, rief er dazu seinen Sohn Eumolpos und dessen thrakische Truppen zu Hilfe. Erechtheus, König von Attika, setzte sich mit Hilfe der Götter erfolgreich zur Wehr. Er opferte eine seiner Töchter und konnte dadurch Eumolpos töten. Letztlich hat es aber nichts gebracht, denn auch Erechtheus fiel in diesem Krieg und seine anderen Töchter begingen Selbstmord wegen der Opferung ihrer Schwester. Das Erechtheion, ein Tempel im ionischen Baustil auf der Athener Akropolis, erinnert daran.

Nicht ganz so ernst nahm vor einigen Jahren ein Fotoreporter und Aktionskünstler die Bronzestatuen und ihre Geschichte. Gerald Bruneau umhängte die nackten Krieger mit einem weißen Tüllschleier, einer knallrosa Federboa und zog ihnen einen Leopardentanga an. Die Empörung bei Politikern und Kulturhütern war groß. Andere amüsierten sich. Immerhin war Reggio Calabria eine Zeit lang in den Medien, ohne das es um die Mafia ging.

Ebenfalls im Untergeschoß des Museo Archeologico Nazionale Di Reggio Calabria informiert die römischen Abteilung über die antike Stadt. Rhegion war die älteste griechische Kolonie in Italien. Später wurde die Stadt ein Verbündeter Roms und bliebt dies auch durch die Punischen Kriege gegen Karthago. Im Bundesgenossenkrieg errangen die Einwohner das römische Bürgerrecht, der Charakter der Stadt blieb jedoch bis zum Ende der Römischen Republik griechisch.

Während des Bürgerkrieges zwischen Octavian und Marcus Antonius war Rhegium ein wichtiger Marinestützpunkt. Nach dem Krieg siedelte Octavian hier Veteranen seiner Legionen an und Rhegium Julii, wie die Stadt nun hieß, romanisierte sich. Unter Kaiser Hadrians wurden die Thermen und das Forum neu gebaut, Bürger und Beamte machten sich um die Stadt verdient, worauf Ehreninschriften verweisen. Auf einer Steintafel danken Mitglieder eines Priesterkollegiums den Frauen Claudia Iusta, S. Faustina, S. Eutychia, Amullia Primigenia, Satria Pietas, Claudia Ptolemais und Terentia Athenais für ihre großzügigen Spenden.

Nachmittags geht es mit der Bahn zurück nach Villa San Giovanni, weiter mit der Fähre nach Messalina und wieder mit dem Zug nach Taormina.

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