Alle Beiträge·Essentials·Türkei

Sagalassos: die Stadt der letzten Römer

Die archäologische Stätte Sagalassos ist bekannt für seine wiederaufgebaute Brunnenanlage aus römischer Zeit. Die Stadt in der Bergen bietet noch viel mehr Sehenswertes und einen grandiosen Ausblick.

Im fünften Jahrhundert war die antike Welt um Umbruch. Westrom war gefallen, der letzte römische Kaiser 476 durch einen germanischen Heerführer abgesetzt. Goten und Vandalen machten sich in den ehemaligen weströmischen Provinzen bis nach Nordafrika breit. Sagalassos, die reiche Stadt in der heutigen türkischen Provinz Burdur, etwa 120 Kilometer nördlich von Antalya, konnte sich wie das oströmische Reich behaupten. Im Osten standen noch Legionen und auch die Zerstörung der Stadt durch das Erdbeben um 500 steckten die Bewohner weg. Sie bauten ihre Stadt wieder auf. So schön, wie sie war.

Doch die Zeiten wurden nicht besser. Ohne den westlichen Teil des römischen Reiches ging der Handel zurück, auch die Landwirtschaft produzierte weniger. Bald wütete die Pest unter der Bevölkerung. Ein zweites Erdbeben Anfang des siebenten Jahrhunderts zerstörte die Stadt erneut. Die Kraft und die Ressourcen zum Wiederaufbau fehlten. Einige zogen fort, andere lebten in verstreuten Siedlungen. Aus dem einst reichen und prächtigen Sagalassos war eine Ruinenstadt geworden. Über die Stadt der letzten Römer, wie eine Arte-Dokumentation titelte, breitete sich Vergessenheit aus. Erst Anfang des achtzehnten Jahrhunderts erhielten die Ruinen eine größere archäologische Aufmerksamkeit, seit 1990 wird das antike Sagalassos von Wissenschaftlern der Katholischen Universität Leuven in Belgien ergraben und erforscht.

IMG_7052-scaled
Große Kolonnadenstraße mit Blick in Richtung Süden

Sagalassos liegt auf den westlichen Ausläufern des Taurusgebirges zwischen 1450 und 1600 Metern über dem Meeresspiegel. Nachdem das Gebiet von den Römern im ersten Jahrhundert vor Christus zur Provinz gemacht wurde, erlebte die Stadt in der römischen Kaiserzeit ihre Blüte.

Ein Besucher, der sich Sagalassos von Süden näherte, nahm die Straße um den Fuß des Alexanderhügels und betrat die Stadt durch das monumentale Tor am südlichen Ende der Säulenstraße. Die 300 Meter lange und von Norden nach Süden verlaufende Straße war eine elegante, gepflasterte Allee mit Säulengängen auf beiden Seiten. Sie wurde im zweiten Viertel des ersten Jahrhunderts erbaut und hat vermutlich eine Menge Geld gekostet. Um die Straße zu ebnen, musste eine tiefe Senke zwischen zwei Hügeln mit Tausenden Kubikmetern Gestein und Erde aufgefüllt werden. Auf beiden Seiten der zehn Meter breiten Straße befanden sich Geschäfte, Gaststätten und Werkstätten hinter den Säulengängen. Während der Herrschaft von Kaiser Tiberius wurden an beiden Enden der Straße monumentale Tore errichtet.

Die Untere Agora von Sagalassos wurde während der Herrschaft von Kaiser Augustus erbaut. Entlang der Ostseite der Agora befanden sich hinter den Kolonnaden weitere Geschäfte, auf der Westseite stand eine identische Säulenhalle, jedoch ohne Geschäfte. Diese überdachten Portiken schützten die Fußgänger vor Sonne, Regen und Schnee.

Während der Zeit Kaiser Hadrians entstanden die großen öffentlichen Bäder der heute so genannten Kaiserthermen. Sie liegen östlich der Unteren Agora auf einem natürlich ansteigenden Hügel, dessen Plateau eigens eingeebnet und mit einer künstlichen Terrassenanlage unterwölbt wurde. Die Anlage wurde über einer älteren Therme aus dem frühen ersten Jahrhundert errichtet.

Die Kaiserthermen waren das größte Gebäude der Stadt und bedeckten über 5.000 qm. Der Badebereich lag auf dem Obergeschoss des Terrassenbaues, die Unterbauten bestanden aus mindestens fünf gewölbten Räumen. Nachgewiesen sind Umkleideräume, Kalt- und Warmbäder, ein Schwimmbecken. Über ein Hypokaustensystem wurde die Anlage beheizt. Eine repräsentative Mittelhalle nutze man wohl für Veranstaltungen. Sagalassos wurde in der Kaiserzeit von mindestens fünf Aquädukten aus Quellen im Umland versorgt. Für die Wasserversorgung der Unterstadt ist ein in den Fels eingeschnittener Kanal nachgewiesen. Teile der städtischen Verteilung liefen unter der Nord-Süd-Kolonnadenstraße.

IMG_2691-scaled
Große Kolonnadenstraße mit Blick in Richtung Norden und der Oberen Agora im Hintergrund

Am Ende der Kolonnadenstraße über der Unteren Agora wurde auf einer Terrasse während der Zeit Kaiser Hadrians ein Nymphäum errichtet. Eine Treppe mit acht Stufen führt zum Becken des Brunnens; dahinter sieht man den erhaltenen Teil der Rückwand des Denkmals. Das Wasser floss von der Rückwand des Brunnens in das große Becken davor und spendete den Passanten Erfrischung. Mit einer ursprünglichen Höhe von siebzehn Metern war dies der einzige zweistöckige Brunnen in Sagalassos. 

Ein weiteres Nymphäum auf der Unteren Agora wurde in severischer Zeit gebaut. Für heutige Besucher geben die beiden Brunnen schon einmal einen Vorgeschmack auf das dritte Nymphäum und Wahrzeichen der Archäologischen Stätte: den wiederaufgebauten Brunnen aus antoninischer Zeit auf der Oberen Agora.

Ein Weg führt die Besucher von der Unteren Agora zum höhergelegenen nordwestlichen Heroon. Man kommt vorbei an allerlei herumliegenden Säulenresten und ornamental verzierten Architekturelementen von Monumentalbauten und erreicht schließlich über einen Holzweg das Denkmal für einen jungen Aristokraten und die Ruinen eines Tempels.

Für wen das fünfzehn Meter hohe Ehrenmonument zu Beginn des ersten Jahrhunderts errichtet wurde, ist nicht bekannt. Archäologen haben keine Widmungsinschrift gefunden. Vielleicht weil die Vorderseite des Gebäudes entfernt wurde, als es 400 Jahre später in die Wehrmauer der Stadt integriert wurde. Ein Relief-Fries mit einer Kette von vierzehn Tänzerinnen, die jeweils das Gewand der Nachbarin fassen, umgibt die Aussenfassade. Die Originalplatten wie auch die Überreste einer großen Statue aus dem Monument befinden sich im etwa vierzig Kilometer entfernten Burdur-Museum. Eine sehr große Sammlung von Statuen aus anderen antiken Stätten befindet sich im Antalya Museum.

IMG_7134-scaled
Nordwestlicher Heroon und Ruinen eines späthellenistischen Tempels, vielleicht Zeus gewidmet.

Von den Ruinen des Tempels neben dem Heroon hat man einen wunderbaren Blick bis zum Theater von Sagalassos, aber vor allem auf die Obere Agora mit dem Wahrzeichen Sagalassos, dem nahezu vollständig wieder errichtete Nymphäum aus der Zeit des römischen Kaisers Antoninus Pius.

Seine dramatische Erscheinung hat die Brunnenanlage durch die Verwendung farbiger Steinsorten und das herabfließende Wasser. Das Nymphäum war auch für die Aufstellung von Statuen konzipiert. Diese standen in den Nischen der Rückwand und an den beiden Seiten in den vorstehenden Teilen der Fassade. Die meisten Statuen des Nymphäums gingen bereits in der Antike verloren. Heute sehen die Besucher eine Nachbildung des Weingottes Dionysos, der von einem Satyr gestützt wird. In der Spätantike wurden Statuen von AsklepiosKoronis, Nemesis und vielleicht Apollo aus anderen Bereichen der Stadt in das Nymphäums integriert.

IMG_2731-scaled.jpg
IMG_7324-scaled
Auf dem Platz der Agora stehen mehrere Statuen- und Ehrenbasen mit Inschriften, die in der Spätantike im Zuge der Reparatur des antoninischen Nymphäums dort neu aufgestellt wurden.

Ursprünglich war die Obere Agora ein einfacher Platz aus gestampfter Erde. Etwa zu der Zeit, als Sagalassos in das Römische Reich eingegliedert wurde, wurde die Agora nach und nach ausgebaut und ausgeschmückt. Sie erhielt wichtige Gebäude um sich herum, wie das Bouleuterion und etwas später das Prytaneion, die jeweils den Politikern und Verwaltungen von Sagalassos dienten.

Die Obere Agora wurde nun auch mit Steinplatten gepflastert. Auf diesen und in den Säulenportiken, die den Platz umgaben, wurden Statuen und Ehrenmonumente für wichtige Persönlichkeiten wie römische Kaiser, Provinzgouverneure und verdiente Mitglieder aus Familien der lokalen Oberschicht errichtet. So trugen beispielsweise die vier elf Meter hohen Ehrensäulen an den Ecken der Agora jeweils eine Bronzestatue zu Ehren eines lokalen Wohltäters.

IMG_2730-scaled.jpg

Auf den südwestlichen und nordwestlichen Säulen weisen eingravierte Tafeln aus augusteischer Zeit darauf hin, dass diese von den Bewohnern von Sagalassos zum Gedenken an die Brüder Krateros und Eilagoas, Söhne des Kallikles, errichtet wurden. Für die nordöstliche Ehrensäule ist keine Inschrift bekannt. Die südöstliche Säule wurde später Admon, dem Sohn des Arnestes, gewidmet, der von den Einwohnern von Sagalassos geehrt wurde. Fast alle architektonischen Blöcke der vier Ehrensäulen der Oberen Agora wurden bei den Ausgrabungen entdeckt und während der Restaurierungsarbeiten von 2011 bis 2015 an ihren ursprünglichen Positionen wieder aufgestellt.

Während der Regierungszeit von Kaiser Caligula errichtete ein Enkel des Eilagoas mit Namen Kallikles einen monumentalen Torbogen zu Ehren des Kaisers an der Stelle, an der die Südweststraße in die Obere Agora mündete. Nachdem der Kaiser in Ungnade gefallen war, wurde die ursprüngliche Widmungsinschrift auf dem Ehrenbogen entfernt. Das Denkmal wurde dann Caligulas Onkel und Nachfolger, dem römischen Kaiser Claudius, und seinem Bruder Germanicus mit einem Text in Griechisch und Latein neu gewidmet. Oben auf dem Gebälk standen sehr wahrscheinlich Bronzestatuen von Claudius und Germanicus. Wenige Jahre später errichteten die Einwohner von Sagalassos ein Pendant zu diesem ersten Ehrenbogen in der gegenüberliegenden Ecke der Oberen Agora. Er war dem römischen Kaiser Claudius gewidmet. Kallikles war auch an diesem Projekt beteiligt und stiftete die Statue des Kaisers Claudius.

Kallikles‘ Engagement veranschaulicht, wie Mitglieder der lokalen Elite in Sagalassos und anderen Städten des Römischen Reiches ihre Loyalität gegenüber den römischen Herrschern zum Ausdruck brachten, indem sie Denkmäler für römische Kaiser oder hohe Beamte errichteten. Die Familie erhielt unter Kaiser Claudius das römische Bürgerrecht und trug von da an ihren neuen romanisierten Namen: Tiberii Claudii. Zusammen mit der Familie der Titi Flavii (Neones), die das Bürgerrecht ihrem Namen nach unter den flavischen Kaisern Vespasian, Titus oder Domitian erlangten, dominieren sie während des ersten und frühen zweiten Jahrhunderts die Bau- und Stiftungstätigkeit in der Stadt. Hierzu habe ich einen eigenen Beitrag geschrieben.

IMG_7387-scaled
Der südwestliche, ursprünglich Caligula gewidmete, Ehrenbogen
IMG_2851-scaled
Links neben dem vorderen Ehrenbogen liegt das Macellum, ein römischer Lebensmittelmarkt, der seit augusteischer Zeit mehrmals umgebaut wurde. Um einen Hof lagen an drei Seiten Ladenreihen. Verkauft wurden unter anderem Fleisch, Geflügel, Getreide aus der Umgebung, aber auch Importwaren wie konservierter Fisch und wohl auch die römische Würzsauce Garum.

Das Bühnentheater von Sagalassos ist eines der höchstgelegenen römischen Theater. Gebaut wurde es höchstwahrscheinlich ab dem Jahr 120, als Kaiser Hadrian Sagalassos eine wichtige Rolle im kaiserlichen Kult für Pisidien einräumte. Daher wurden angemessene Gebäude benötigt, um die Zeremonien unterzubringen. Obwohl Sagalassos zu dieser Zeit nur höchstens fünftausend Einwohner hatte, konnten im Theater etwa neuntausend Zuschauer Platz finden. Die Bühnenfront war nur einstöckig und ein Teil der Sitzreihen wurde nie vollendet. Man geht davon aus, dass dem Großprojekt das Geld ausging. Ende des zweiten Jahrhunderts hörten die Bautätigkeiten dann auf.

Mit der Aufführung von Schauspielen und Festen, Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen war es spätestens nach dem Erdbeben im siebenten Jahrhundert vorbei. Die Südostseite des Theaters mit der Bühne liegt heute noch so zusammengestürzt dar wie seinerzeit. Die gegenüberliegende Seite mit den Zuschauerreihen überstand die Erschütterungen weitgehend unversehrt.

IMG_7492-scaled
Ein- und Ausgang zur Archäologischen Stätte Sagalassos mit Parkplatz und Besucherzentrum.

Seit einigen Jahren gibt es ein modernes Besucherzentrum neben dem Parkplatz vor der Archäologischen Stätte. Zeit einplanen sollte man gegebenenfalls auch für einen Besuch des Burdur-Museums. Dort werden die Skulpturen und anderen Artefakte aus Sagalassos ausgestellt. Gegenwärtig ist die Monumentalbüste von Hadrian an das Istanbul Airport Museum ausgeliehen.

Sagalassos lässt sich auch von zuhause aus erkunden. Von der gesamten archäologischen Stätte wurde vor einigen Jahren durch die gemeinnützige Bildungseinrichtung Global Digital Heritage aus über 16000 Drohnenfotos eine dreidimensionale Karte erstellt, die am Computer dreh- und schwenkbar angesehen werden kann.

Webseite der Archäologischen Stätte Sagalassos und auf Google Maps.

Danke fürs Lesen. Möge Fortuna stets mit Dir sein.

Weiterlesen:

Hinterlasse einen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert