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Flavia Solva

Kurz vor der slowenischen Grenze liegt die kleine österreichische Gemeinde Wagna. In römischer Zeit wurde die Siedlung in der Provinz Noricum von Kaiser Vespasian zur Stadt erhoben und hieß fortan nach dem flavischen Kaisergeschlecht und dem historischen Namen des Flusses Sulm Flavia Solva.

Das kleine Museum der einzigen Römerstadt in der Steiermark ist als “umgehbare Vitrine das ganze Jahr von außen frei zugänglich” heißt es auf der Museums-Homepage. Was gut klingt, stellt sich in der Realität als nicht so optimal dar: Statt des Museums ist jetzt ein Eiskaffee in dem Gebäude untergebracht und der erwartungsvolle Besucher kann durch die mehr oder weniger sauberen Glasscheiben und bei schöner Spiegelung der Nachmittagssonne versuchen, irgendetwas von den Exponaten zu erkennen. Die unmittelbare Umgebung mit wildem Parkplatz und Müllcontainern trägt auch nicht gerade zur Erbauung bei. Schade, denn hier und in der näheren Umgebung gibt es durchaus etwas zu sehen und zu erfahren. Zum Beispiel die Geschichte des Feuerwehrsteins von Falvia Solva oder die vermauerten Römersteine im Schloss Seggau.

Der sogenannte Feuerwehrstein besteht aus mehreren Steintafeln, in welche die Namen der Angehörigen der freiwilligen Feuerwehr von Flavia Solva um das Jahr 205 eingemeißelt sind. Es handelt sich aber nicht um eine bloße Mitgliederliste. Hintergrund der zeitlosen Story war die Tatsache, dass mit der Mitgliedschaft im collegium centonariorum steuerliche Vergünstigungen verbunden waren. Das war doppelt attraktiv, denn durch das Engagament bei der Feuerwehr ersparte man sich als römischer Bürger zugleich die Übernahme eines anderen öffentlichen Amtes, das vielfach mit nicht unerheblichen Spendenerwartungen der Bevölkerung verbunden war. Während also die Solvenser Bürger in großer Zahl der Freiwilligen Feuerwehr beitraten, wandten sich die städischen Behörden mit der Bitte an den römischen Kaiser, die Steuerprivilegien abzuschaffen. Das Geld fehle im öffentlichen Haushalt. Severus und sein Sohn Caracalla verfügten eine Kompromißlösung:

"Die Kaiser Septimius Severus und Caracalla (mit ihren offiziellen Namen) an (den Statthalter) Luventius Surus Proculus. Es empfiehlt sich nicht, die Vergünstigungen, die auf Anordnung des hohen Senats oder eines Kaisers den collegia centonariorium gewährt wurden, voreilig aufzuheben. Vielmehr möge das eingehalten werden, was durch die gesetzlichen Bestimmungen ohnedies geregelt ist. So sollen diejenigen, die sich nach deinen Worten ohne finanzielle Belastungen ihrer Reichtümer erfreuen, zur Übernahme von Leistungen für die Öffentlichkeit genötigt werden. Denn das Privileg der Kollegien kommt weder denjenigen zu, die an deren gemeinnütziger Tätigkeit nicht teilnehmen, noch denen, deren Vermögen das festgesetzte Ausmaß überschreitet.“

Die gute Nachricht ließen die Feuerwehrleute zu Ehren ihres Präsidenten M. Secundius Secundinus in Stein meißeln und fügten die Namen der aktiven Brandschützer hinzu. Der Gemeinderat der Stadt Solva stellte ihnen mit Beschluss vom 14. Oktober 205 einen öffentlichen Platz für die Steintafel zur Verfügung. Alle anderen mussten in den sauren Apfel beißen und ihre Steuern wieder in voller Höhe zahlen.

Schloss Seggau bei Leibnitz in der Steiermark. Sein heutiges Aussehen erhielt das Schloss nach vielen Umbauten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1831 wurde das Lapidarium (eingemauerte römische Steine) errichtet. Einst Sommerresidenz der Bischöfe ist das Schloss heute Kongress-, Tagungs- und Seminarzentrum.

Auch das Lapidarium im Schloss Seggau erzählt eine interessante Geschichte: Die Römersteine stammen von den Gräberfeldern der am Fuße des Schlossberges gelegenen Stadt Flavia Solva. Bis ans Ende des ersten Jahrtausends wurden die Spolien aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. quasi als Steinbruch zur Gewinnung von Bausteinen verwendet. Auch den Wohnturm der ehemaligen Burganlage hat man damit errichtet. Was dabei nicht passte, wurde passend gemacht. Hervorstehende Skulpturen oder Ornamente und Verzierungen wurden abgemeisselt. Pfui! Immerhin waren die Marmorblöcke durch den Einbau bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts vergleichsweise gut geschützt. Bei Umbaumaßnahmen kamen die Grabsteine dann wieder ans Tageslicht. Ein Teil wurde seinerzeit in das heutige Archäologiemuseum Schloss Eggenberg nach Graz gebracht. Etwa 130 Steine verblieben im Schloss Seggau und wurden als permanente Schausammlung in Art eines Lapidariums in eine Außenwand eingemauert. Heute sind die Römersteine eine Besucherattraktion, aber auch wieder gefährdet. Sonne und Regen, Wärme und Kälte setzen dem Marmor zu.

Unweit des Schlosses auf der Kuppe des Frauenberges liegt das antike Stadtheiligtum von Flavia Solva. Der zuvor bestehende keltische Kultbau wurde zu einem gallo-römischen Umgangstempel umgebaut, im 1. Jahrhundert n. Chr. wird ein Podiumstempel mit einer Säulenfront für die Göttin Isis-Noreia gebaut. Auch Mars-Latobius, Merkur und Epona wurden hier verehrt. Das Heiligtum diente nicht nur kultischen Zwecken, sondern war auch eine einfacher zu verteidigende Rückzugssiedlung in kriegerischen Zeiten. Während der Markomannenkriege wurde Flavia Solva zerstört, danach wieder aufgebaut. Mit Beginn der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert jedoch wird die Stadt schließlich aufgegeben. Ein kleines Museum das auf den Grundmauern des Tempels steht, informiert über die bewegten Zeiten und die Götterwelt der Menschen aus Flavia Solva.

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2 Replies

  1. Lieber Stefan Nährlich,
    ich habe mich sehr über Ihren Blog gefreut und möchte hiermit einige offene Fragen beantworten: Als Folge von weitreichenden finanziellen Einsparungsmaßnahmen des Landes Steiermark wurde die Betreuung des Römermuseums Flavia Solva mit Personaleinsatz vor Ort mit Ende der Saison 2011 eingestellt. Um die Vermittlung, Bewahrung und wissenschaftliche Erforschung der archäologischen Stätte Flavia Solva zu sichern und weiterhin zu gewährleisten, entwickelten wir im selben Jahr in Abstimmung mit Vertretern des Bundesdenkmalamts, des Instituts für Archäologie der Karl-Franzens-Universität Graz und der Marktgemeinde Wagna ein Konzept zur Neugestaltung des Römermuseums, das vier Maßnahmenpakete vorsah: den Umbau des Römermuseums zu einer umgehbaren, ganzjährig zugängigen Vitrine, die Konservierung und Restaurierung der römerzeitlichen Grundmauern und die Sichtbarmachung der antiken Stadt im Freigelände. Dieses Projekt wurde in den Jahren 2012 und 2013 umgesetzt.

    Bei der Neugestaltung des Museumspavillons konnte aus Kostengründen kein entspiegeltes Glas verwendet werden. Dadurch ist die Lesbarkeit der Texte leider etwas eingeschränkt und von der jeweiligen Tageslichtsituation abhängig. In der als umgehbare Vitrine konzipierten Ausstellung erhalten Besucherinnen und Besucher viele Informationen zur antiken Stadt Flavia Solva, unter anderem auch zum sogenannten Feuerwehrstein, von dem eine Replik ausgestellt ist.

    Auf der Webseite des Universalmuseums Joanneum wurden bei Ihnen offensichtlich zu hohe Erwartungen geweckt. Wir nehmen Ihren Bericht zum Anlass, um die Webpräsenz von Flavia Solva zu überarbeiten.

    Herzliche Grüße
    Karl Peitler (Leiter der Abteilung Archäologie und Münzkabinett)

    • Lieber Karl Peitler,

      vielen Dank für Ihre Hinweise! Sehr schade, dass die finanziellen Mittel gekürzt wurden. Ich drücke die Daumen, dass wieder bessere Zeiten kommen.

      Herzliche Grüße in die Steiermark
      Stefan Nährlich

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