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Alpenrand in Römerhand

Versunkene Fernstraßen, große Männer aus kleinen Orten und die Tilgung des Andenkens an einen Kaiser begegnen dem Reisenden in die Römerzeit des bayerischen Alpenvorlandes. Eine Tour abseits der touristischen Hotspots.

Mein Wochenendausflug 2018 zum Römerfest in Kempten nutze ich, um Spuren der römischen Herrschaft im bayerischen Alpenvorland zu suchen. Alpenrand in Römerhand heißt eine Reihe verschiedener Stationen von Epfach bis Schwangau. Da der Forggensee wegen einer Reparatur am Staudamm dieses Jahr auch im Sommer kaum Wasser führt, hoffe ich etwas vom Verlauf des alten Straßendammes zu sehen, auf dem die Via Claudia Augusta einst entlangführte. Meine erste Station ist der Römische Rast- und Badeplatz “Mansio – rasten mit den Römern” zwischen den Ortschaften Rieden und Roßhaupten. Hier markieren Holzrömer den Tourismuspfad zum Wandern und Radfahren. Die wenigen Urlauber müssen weit in den See gehen, um ans Wasser zu kommen. Wo genau die römische Fernstraße verlief kann ich nicht feststellen. Einige steinerne Wegweiser mit der Inschrift VIA können (moderne) Anhaltspunkte sein.

Die Via Claudia Augusta war in der Antike die Hauptverkehrsader der Provinz Rätien und eine der wichtigsten Verbindungen von Oberitalien in die römischen Provinzen nördlich der Alpen. In Altenstadt, im Landkreis Weilheim-Schongau, hat die Gemeinde auf einigen Metern die Bauweise dieser Römerstraße rekonstruiert. Ein kleines Denkmal und eine Informationstafel erinnern im gepflegten Park am Via Claudia-Platz an die römische Kaiserstraße.

Dem wohl bekanntesten Bayern des römischen Reiches kann man in Epfach begegnen. Claudius Paternus Clementianus wurde hier geboren, als der Ort noch Abodiacum hieß. Er lebte um 125 nach Chr. und als er in Abodiacum starb, hatte er eine eindrucksvolle Karriere in Militär und Verwaltung des Imperium Romanum hinter sich. Sie ist umso bemerkenswerter, als seine Eltern noch keine Römer waren. Im kleinen Museum im ehemaligen Spritzenhaus der Feuerwehr gibt die Inschrift seines Grabdenkmals Auskunft über den großen Mann aus dem kleinen Ort:

„Claudius Paternus Clementianus hat [den Bau dieses Grabdenkmals noch zu Lebzeiten für sich und die Seinen?] errichten lassen. Er (war zuletzt) kaiserlicher Statthalter (ritterlichen Ranges) der Provinzen Judäa und (danach) Noricum. (Zuvor war er) Verwalter der kaiserlichen Provinzkassen von Sardinien und (danach) von Africa (proconsularis), (davor) Kommandeur des 500 Mann starken Reiterregiments (das sich nach seinem ersten Befehlshaber) Siliana (nennt, das) mit einem Ehrenring dekoriert (ist und dessen Soldaten einmal ehrenhalber) mit dem römischen Bürgerrecht ausgezeichnet (wurden), (zuvor war er) Adjutant (im ritterlichen Rang) der 11. Legion Claudia und (am Anfang seiner Laufbahn) Kommandeur der 1. Kohorte (die aus) Marinesoldaten (aufgestellt worden war)“.

Die Übersetzung der lateinischen Inschrift habe ich hier entnommen. Das Foto zeigt das Original der Marmorbüste von Paternus, die als Leihgabe aus dem Landesmuseum Kärnten in einer Ausstellung im österreichischen Villach gezeigt wurde. Im Epfacher Museum steht in einer Vitrine eine Kopie.

Kurz vor meinem nächsten Ziel wird der Verkehr dichter und viele Reisebusse begegnen mir. Das liegt weniger an der Schwangauer Villa Rustica selbst, als vielmehr daran, dass sie in Nachbarschaft von Schloss Neuschwanstein liegt. Direkt neben der Tegelbergbahn-Talstation und in Sichtweite von Ludwigs Märchenschloss befinden sich die Reste eines ausgedehnten römischen Gutshofes aus der Mitte des 2. Jahrhunderts. Mit ein bisschen Verrenkung finde ich eine Position, aus der sich ein schönes Foto der Überdachung der Ruinen vor der Bergkulisse schießen lässt. Die „Römervilla“ ist eigentlich die Thermenanlage des Gutshofes. Das Wohngebäude wurde beim Bau der Tegelbergbahn zwar freigelegt und wissenschaftlich ausgewertet, dann aber mit dem Hauptgebäude der Tegelbergbahn überbaut. Die Fresken des Kaltbades wurden restauriert und sind seither in der Archäologischen Staatssammlung München zu sehen. Die hat leider seit 2016 wegen einer umfangreichen Generalsanierung geschlossen. Die Wiedereröffnung des Museums ist für das Jahr 2021 oder später geplant.

Da ich am Abreisetag etwas Zeit habe, mache noch einen kleinen Abstecher entlang der alten Römerstraße von Kempten nach Bregenz am Bodensee. Über 400 Jahre lang spielte die Verbindung eine wichtige Rolle als Teilstrecke des römischen Fernstraßennetzes im Voralpengebiet. Sie diente als Handelsstraße und erleichterte Truppenbewegungen und Kurierdienste. Wie bei allen Fernstraßen standen in regelmäßigen Abständen sogenannte Meilensteine, die die Entfernung zur nächsten Siedlung angaben. Ein Meilenstein der Römerstraße Kempten-Bregenz steht in der Ortsdurchfahrt von Wengen. Der Wengener Stein aus dem Jahr 201 trägt die folgende Inschrift:

“Der Imperator Caesar Lucius Septimius Severus Pius Pertinax Augustus, der Arabische, Adiabenische, der größte Parthische, Oberpriester, im 9. Jahr seiner tribunizischen Gewalt, Imperator zum 12. Mal, Konsul zum 2. Mal, Vater des Vaterlandes, Prokonsul, und der Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Pius Augustus, im 4. Jahr seiner tribunizischen Gewalt, Prokonsul [und der Imperator Publius Septimius Geta Antoninus] haben die Straßen und Brücken wiederherstellen lassen. Von Cambodunum 11.000 Doppelschritte (= 16,265 km).”

Als Kaiser Caracalla (Caesar Marcus Aurelius Antoninus Pius Augustus) seinen Bruder und Mitregenten Geta im Dezember 211 ermorden ließ, wurde dessen Name wenig später aus dem Meilenstein herausgemeißelt. Der nahe der Bushaltestelle aufgestellte Stein ist eine Nachbildung, die 1930 vom Heimatverein Kempten in Auftrag gegeben wurde. In der Allgäuer Zeitung gibt es davon ein historisches Foto. Das Original des Meilensteins steht heute im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart.

Zum Schluss noch einige Bilder, die ich mit Aurora HDR 2017 nachbearbeitet habe. Das Bild vom Flughafen Berlin-Tegel auf dem ich Abends gelandet bin, habe ich schnell mit dem Smartphone gemacht. Die Auflösung ist eigentlich zu gering, die Stimmung auf dem abendlichen Airport kommt aber sehr schön zum Ausdruck.

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