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Kommunalwahlkampf in Pompeji

“Wählt Trebius Valens und Gavius Rufus. Gute Leute!” Einblicke in den Kommunalwahlkampf im antiken Pompeji. Nicht alles hat sich bis heute verändert.

An der Fassade von Asellinas Imbiss in Pompeji steht in schönen Lettern gemalt im Jahr 79: „Asellina bittet darum, Ceius Secundus zum Co-Vorsitzenden des Stadtrates (Duovirn) zu wählen.” Auch die Angestellten geben ihre Wahlempfehlung ab: “Asellinas Mädchen bitten, Gaius Lollius Fuscus zum Duovirn zu wählen.” Frauen durften vor knapp 1900 Jahren Wahlwerbung machen, Geschäfte betreiben und Berufen nachgehen, wählen durften sie nicht. Da sind wir heute weiter: Seit 100 Jahren dürfen Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden.

Im Kommunalwahlkampf in Pompeji kam es auf die Persönlichkeit eines Kandidaten und seinen Charakter an: “Bitte wählt Popidius Secundus zum Aedil. Er ist ein bescheidener Jüngling!” stand an so mancher Hauswand oder kurz und bündig: “Wählt Trebius Valens und Gavius Rufus. Gute Leute!” Die Kommunikation der politischen Vorhaben der Kandidaten hatte Seltenheitswert. Nur diesen beiden Bespiele haben die Archäologen gefunden: “Bitte wählt Gaius Julius Polybius zum Aedil. Er bringt gutes Brot” und “Genialis bittet darum, Bruttius Baibus zum Duumvirn zu wählen. Er wird die Stadtkasse schonen.” Die Wahlwerbung lockte auch Spassvögel an: “Die kleinen Diebe bitten darum, Vatia zum Aedil zu wählen” oder “Bitte wählt Marcus Cerrinius Vatia zum Aedil. Alle Spät­trinker setzen sich für ihn ein. Dies schrieb Florus zusam­men mit Fructus.” Ob sich jemand austoben oder die Phrasenhaftigkeit der üblichen Wahlaufrufe karikieren wollten, wer weiß. Heutige Wahlslogans wie “Wir mit ihr”, “Sie kennen mich”, “Sie kanns” oder “Wählt Die Partei – sie ist sehr gut” können da jedenfalls locker mithalten.

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Zwischendurch auch mal Werbung für Gladiatorenkämpfe in Pompeji

Die Wahlwerbung wurde in großen Lettern und mit breiten Pinselstrichen in roter oder schwarzer Farbe auf Hauswände gemalt. Diese antiken “Wahlplakate” werden als tituli picti, gemalte Inschrif­ten, bezeichnet. Bis zu 60 cm Höhe erreichten die größten Buchstaben, der meiste Text war etwa 20 cm hoch. Dies ist übrigens keine Wahlwerbung sondern Reklame für bald stattfindende Gladiatorenkämpfe. Der vollständige Text lautet: “Zwanzig Gladiatorenpaare des Decimus Lucretius Satrius Valens, Priester in Daueranstellung des Kaisers Nero, und zehn Paare seines Sohnes Decimus Lucretius Valens werden in Pompeji am 8., 9., 10., 11. und 12. April kämpfen. Es wird auch ein den Regeln entsprechendes Programm mit wilden Tieren geben, die Sonnensegel werden ausgespannt.”

Übrigens gaben nicht nur Einzelpersonen oder Nachbarschaften Wahlempfehlungen ab, auch Berufsvereine (collegia) ließen malen: “Die Färber bitten darum, Calventius zum Duumvirn für die Rechtsprechung zu wählen.” Als politische Interessengruppen oder Lobbyverbände im politischen Raum spielten die collegia keine Rolle, sie verfolgten eher eine soziale Zielsetzung. Man traf sich im Kreise von Freunden und Bekannten meist einmal im Monat zu einem geselligen Beisam­mensein, speiste zusammen im eigenen Vereinshaus und tauschte sich dabei natürlich auch über Fragen und Sorgen des eigenen Berufsstandes aus. Das collegium bot vielen eine Art zwei­tes Zuhause. Kleinhändler und Handwerker waren in der römi­schen Gesellschaft nicht besonders angesehen; die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung und die Gruppenidentität stärkten das Selbstbewusstsein des Einzelnen, schreibt Karl-Wilhelm Weeber in seinem Buch “Wahlkampf im Alten Rom”.

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Malerei nach Foto vom Gebäudezustand vor der Bombardierung im Jahr 1943

Was wurde überhaupt gewählt?

Gewählt für ein Jahr wurden auf kommunaler Ebene die beiden duumviri. Sie bildeten die „Zwei Männer-Behörde für die Rechtssprechung“, waren Richter und Vorsitzende des Stadtrates. Städte wie Pompeji bzw. die colonia hatten eine Art kommunales Selbstverwaltungsrecht. Dem Stadtrat in Pompeji gehörten wohl etwa 100 Männer an. Ein Teil der Mitglieder erkaufte sich die Mitgliedschaft (offiziell, das war keine Korruption), der andere Teil wurde indirekt gewählt, denn er setzte sich aus ehemaligen duumviri und aedilen zusammen. Gewählt wurden auch die Spitzen der Verwaltung. Die beiden aedilen wurden ebenfalls für ein Jahr gewählt und kümmerten sich um die öffentlichen Straßen und öffentlichen Gebäude wie die Thermen, um die Tempel, die Kontrolle der Märkte und die Getreideversorgung. Außerdem waren sie für die Organisation öffentlicher Spiele zuständig.

Informativ: Ulf von Rauchhaupt “Toll schrieben es die alten Römer” in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22.01.2020. Mehr über die Graffiti in Pompeji hier auf meinem Blog.

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