Das Museo del Prado in Madrid ist bekannt für seine Gemäldesammlungen. Weniger bekannt, doch nicht weniger beeindruckend, sind seine antiken Skulpturen.
Das Prado-Nationalmuseum ist die Perle der Madrider Kunstmeile und wurde 2021 mit zwei weiteren Museen in die Liste der UNESCO-Welterbe aufgenommen. Berühmt ist das Museum Prado für seine Gemäldesammlungen, doch besitzt es auch eine sehenswerte Anzahl von Skulpturen aus der Antike und späteren Jahrhunderten.
Die antike Skulpturensammlung umfasst über 250 Stücke, darunter Büsten, Statuen, Reliefs, Graburnen und Tierdarstellungen. Im 18. Jahrhundert wurden zwei bedeutende Sammlungen aus Rom gekauft: die Sammlung Christinas von Schweden, damals Eigentum der Familie Odescalchi, und die Sammlung des spanischen Politikers Gaspar de Haro y Guzmán.
Im Saal der Musen im Museo del Prado stehen acht antike Marmorstatuen der Schutzgöttinnen der Künste aus der griechisch-römischen Mythologie: Klio, Terpsichore, Kaliope, Urania, Erato, Melpomene, Polyhymnia und Euterpe werden von links nach rechts auf der Informationstafel genannt. Die Musen aus der Sammlung Christinas von Schweden wurden im 17. Jahrhundert von dem italienischen Bildhauer Ercole Ferrata restauriert, wobei er den Musen neuen Attribute und Köpfe gab. Nur die Muse Terpsichore war schon in der Antike die Muse Terpsichore. Melpomene beispielsweise bekam bei der Restaurierung die Gesichtszüge von Königin Christina. Der fröhlichen Theatermaske in ihrer Hand nach, sollte sie eigentlich die Muse Thalia sein. Nach der Überlieferung des griechischen Dichters Hesiod sind neun Musen bekannt. Eine fehlt also, vielleicht daher der Kniff, Melpomene und Thalia in einer Statue darzustellen.
Die acht Marmorstatuen wurden um 1500 in Kaiser Hadrians Villa in Tivoli bei Rom ausgegraben. Sie schmückten wohl die Bühne des Theaters oder des Odeons. Gefertigt wurden sie am Ende der Regierungszeit Kaiser Hadrians von zwei römischen Werkstätten nach griechischen Vorbildern.
Der Saal der Musen im Museo del Prado lässt die Statuen schön zur Geltung kommen. Die einfallende Sonne und die im Hintergrund durch die Fenster zu sehende Kirche San Jerónimo el Real schafft eine wunderbare Atmosphäre. Bei meinem Besuch im März diesen Jahres gleich zum Öffnungsbeginn des Museums waren die Säle und Gänge auch noch nicht voll mit Besuchern.
Hinter dem Saal der Musen stehen in einem Raum mehrere antike Großstatuen. Mittendrin ein idealisiertes Marmorportrait aus dem 19. Jahrhundert nach dem Vorbild römischer Skulpturen. Es stellt Königin Isabel de Braganza dar, die zweite Ehefrau des spanischen Königs Ferdinand VII. Die Königin sitzt auf einem mit Löwen und Lilien geschmückten Stuhl und trägt eine gegürtete Tunika, ein Gewand und ein mit Nieten besetztes Diadem. Dieses neoklassizistische Werk wurde von der Monarchin für das Prado-Museum in Auftrag gegeben, bei dessen Entstehung sie eine wichtige Rolle spielte. Im Hintergrund sieht man auf einem Foto die Marmorstatue des Meeresgottes Neptun aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Am Fuß der Statue ist der Name des antiken Stifters vermerkt: Publius Licinius Priscus. Auf dem anderen Foto ist die Göttin Demeter zu sehen. Der Korpus stammt aus dem frühen dritten Jahrhundert. Weitere antike Statuen zeigen die Götter Apollo und Jupiter, eine Statue der Venus mit Delphin und die Statue eines jungen Redners. Schöne Skulpturen, die man besser präsentieren könnte.
Besser und mit mehr Raum sind dann die antiken Skulpturen in einem der nächsten Säle präsentiert. Zu den sehenswerten Stücken gehören die Statue der Venus mit der Parfümflasche aus dem ersten Jahrhundert, der junge Herkules aus dem Ende des zweiten Jahrhunderts, die Gruppe Orestes und Pylades aus dem Jahr 10 vor Christus und die römische Kopie aus dem zweiten Jahrhundert des Diadumenos von Polyklitus aus dem fünften Jahrhundert vor Christus.
Viele Büsten, unter anderem von Drusus dem Jüngeren, von Vibia Sabina und vom römischen Kaisers Antoninus Pius. Es handelt sich um das letzte Porträt der Vibia Sabina, der Frau des Kaisers Hadrian. Es stellt sie nicht in ihrem wirklichen Alter dar (etwa 48 Jahre), sondern ist ein stark idealisiertes und verjüngtes Bild. Ihre Frisur ist nicht traditionell römisch, sondern inspiriert von den Bildern der Göttin Diana. Das Porträt spiegelt die Absicht wider, sie alterslos erscheinen zu lassen.
Außerdem sind Statuen von Kaiser Augustus als Priester und Kaiser Trajan als Feldherr ausgestellt. Die antike Götterwelt punktet mit einer schönen Statue des Weingottes Bacchus und der Skulptur eines Satyrs aus seinem Gefolge. Viele weitere Objekte aus der Antikensammlung des Museo del Prado sind ebenfalls sehenswert. Einen knappen Überblick gibt der im Shop des Museums erhältliche Museumsführer. Ausführlichere Informationen findet man in der Datenbank des Museums.
Maria Isabel de Braganza, deren Statue inmitten der griechisch-römischen Götter steht, hatte sich dafür eingesetzt, das von Juan de Villanueva als naturgeschichtliches Museum entworfene Gebäude als Pinakothek zu nutzen und hier einen Großteil der königlichen Sammlungen auszustellen. Im Laufe der Jahre wurden die Bestände durch private Schenkungen und Käufe erweitert. Erlebt hat die spanische Königin die Eröffnung des Museums im Jahr 1819 nicht mehr. Sie starb ein Jahr vorher mit 21 Jahren bei der Geburt ihres zweiten Kindes.