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Das römische Legionslager Vindonissa

Im Legionslager Vindonissa auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Windisch stationierten die Römer die einzige Legion in der Schweiz. Die 5000 Legionäre waren nicht nur Besatzungsmacht sondern brachten auch den Fortschritt mit: der römische Aquädukt war bis 1897 die einzige Trinkwasserversorgung der Bewohner von Windisch und ist immer noch in Betrieb.

Wer hat’s erfunden? Ricola … Wer erinnert sich nicht noch an die Werbung für die Schweizer Kräuterbonbons. In dem Fall haben aber die alten Römer das erstes Spital in der Schweiz, die erste Kanalisation und die erste Wasserleitung errichtet.

Auf dem Gelände des Legionärspfades Vindonissa kann man sich das römische Erbe des einstigen Legionsstandortes erschließen. Beispielsweise authentisch nachgebaute Mannschaftsunterkünfte, ein authentisch rekonstruiertes und ausgestattetes Feldlazarett, der inszenierte Nachbau des Fahnenheiligtums der Kaserne, aber auch Überreste aus römischer Zeit wie die Fundamente der Lagertore, Teile des Kanalisationssystems und die Frischwasserleitung. Im Vindonissa Museum im Nachbarort Brugg sind Funde aus den archäologischen Grabungen ausgestellt.

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Der Legionärspfad Vindonissa ist ein im Sommer 2009 eröffneter Stationenweg an Ausgrabungsstätten des römischen Legionslagers Vindonissa in der schweizerischen Gemeinde Windisch.

Mitte der 1930er Jahren wurden umfangreiche Ausgrabungen auf dem Gelände des ehemaligen Legionslagers durchgeführt. Gegraben wurde von Angehörigen des Archäologischen Arbeitsdienstes, der infolge der Arbeitslosigkeit durch die Weltwirtschaftskrise eingerichtet worden war. Die Überreste von Mannschaftsunterkünften wurden gefunden und deren Struktur und Inneneinteilung zutage gefördert. Was man aus antiken Texten kannte, bestätigte sich: die römischen Legionäre waren zu acht in 10 bis 12 Mannschaftsstuben untergebracht, die aus je einem Vorraum für Waffen und Ausrüstungsgegenstände und einem Schlafraum bestanden. Je höher der Dienstgrad der Offiziere, desto komfortabler waren die Unterkünfte bis hin zu eigenen Häusern, in denen auch die Familien und Bedienstete lebten. Im Feld bezogen die Legionäre ein Zelt. Aus meiner eigenen Zeit bei der Bundeswehr kann ich sagen, das Prinzip hat sich in 2000 Jahren nicht verändert.

Außer den rekonstruierten Mannschaftsbaracken gibt es auf dem Legionärspfad noch einen weiteren authentischen Nachbau zu sehen: ein Feldlazarett. Als Vindonissa Garnisonsstandort wurde, bauten die Römer hier auch das erste Spital der Schweiz. Die Militärärzte und Sanitäter behandelten Kampfverletzungen, Alltagskrankheiten und Arbeitsunfälle. Im Krieg kamen Feldlazarette zum Einsatz. Ein solches Zelt aus Ziegenleder kann man mit kompletter Ausstattung besichtigen. Chirurgische Instrumente hat man in Vindonissa in großer Zahl gefunden. Auf den Krankentafeln lässt sich beispielsweise lesen: “Marcus Decius Valens. Offener Bruch am linken Unterarm. Knochen gerichtet und geschient. Wunde mit Butter, Rosenöl und Honig behandelt. Keine scharfen Speisen. Regelmäßige Bäder.”

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Das Fahnenheiligtum für die Feldzeichen der Legion im Stabsgebäude des Legionslagers an der Kreuzung der beiden Hauptstrassen.

Als man 1905 auf das Nordtor stieß, war definitiv klar, man hatte keine zivile Siedlung vor sich, sondern ein Legionslager. Das Tor liegt an der Nordkante des Windischer Plateaus, direkt über dem Abhang zum Fluss Aare. Wie die nachfolgende Forschung ergeben hat, überwachten die Römer von den Türmen des Nordtores aus nicht nur den Schiffsverkehr. Die steile Böschung diente auch der Abfallentsorgung. Für heutige Archäologen eine wahre Goldgrube. 

Die Wasserleitung von Vindonissa ist das älteste Bauwerk der Schweiz. Die Vermessungstechnik der römischen Legionäre war so fortschrittlich, das die Leitung auf einer Länge von 2,4 Kilometern ein kontinuierliches Gefälle von nur vier Promille hatte. Die Frischwasserleitung lieferte das Wasser für die Legionäre, Hilfstruppen, Pferde und Maultiere. Im Mittelalter, als die Römer schon fast 1000 Jahre fort waren, nutzte das Kloster Königsfelden die Wasserleitung. Bis 1897 war sie die einzige Trinkwasserversorgung der Bewohner von Windisch und noch heute speist die Leitung den Brunnen vor dem Hauptgebäude der Psychiatrischen Klinik Königsfelden.

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Das 1912 mit privaten Spenden erbaute Vindonissa Museum in Brugg. Im Jugendstil und mit einer Fassade, die sich am römischen Nordtor orientiert.

Das Vindonissa Museum im Nachbarort Brugg zeigt die wichtigsten Funde aus dem Legionslager Vindonissa. Es wurde neu gebaut und 1912 eröffnet. Die Baukosten beliefen sich auf 150.000 Schweizer Franken, die durch Fundraising Maßnahmen zusammen kamen. U.a. durch eine Aufführung des Dramas Die Braut von Messina im Amphitheater.

Ein Blickfang sind die zwei lebensnahen Figuren des britischer Künstlers Gerry Embleton. Sie zeigen die Ausstattung zwei römischer Soldaten und eine Szene, wie sie jeden Tag hundertfach in den Legionen des Römischen Reiches und im Legionslager Vindonissa vorkam: der Führer einer Hundertschaft rügt einen Soldaten und notiert sich das in seinem Schreibtäfelchen. Deshalb hat er sich auch gerade den Rebstock als Zeichen seines Status und seiner Disziplinargewalt in den Gürtel gesteckt. Das bekanntestes Erkennungsmerkmal eines Zenturios aber war der quer gestellte Helmbusch. Zenturionen waren die einzigen Offiziere der römischen Armee, die aus dem Mannschaftsstand aufstiegen.

Während der Zenturio einen Schuppenpanzer trägt, hat der Legionär einen Schienenpanzer umgeschnallt. Der war billiger herzustellen, bot einen guten Schutz, aber muss wohl auch Nachteile gehabt haben. Am Ende des zweiten Jahrhunderts wurde er praktisch nicht mehr verwendet. Sein Marschgepäck trägt der Legionär in einem Bündel an einer Stange, daneben hält er den Wurfspeer. Sein rechteckiger Schild steckt in einem Lederüberzug. Der gewölbte Schild bestand aus mehreren verleimten Lagen Holz und Leder. Der Knochenleim war jedoch nicht wasserfest, weshalb der Schild auf Märschen in einem eingefetteten Lederüberzug steckte.

Bei so viel Ausrüstung fand ein vorgesetzter Offizier sicher immer etwas, was zu bemängeln war.

Wer mehr über das Leben in der römischen Legion erfahren möchte, dem sei der lesenswerte Band Das Schwert von Vindonissa empfohlen. Hier geht es zu den Webseiten des Legionärspfades Vindonissa und zum Vindonissa Museum.

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