Das Leben des römischen Kaisers Marc Aurel war durch anhaltende Kriege, familiäre Schicksalsschläge und politische Krisen geprägt. Mit seinem Tod endete die Pax Romana. In Erinnerung ist er vor allem als Philosophenkaiser, der Macht und Moral in Einklang zu bringen versuchte.
Der spätere römische Kaiser Marc Aurel wurde als Marcus Annius Catilius Severus am 26. April 121 geboren und regierte fast zwanzig Jahre das Römische Reich, bevor er im Jahr 180 starb. Wie kaum eine andere Gestalt der Antike verkörperte er die Zerrissenheit zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen innerem Streben und äußerem Zwang. Seine Herrschaft markiert einen tiefgreifenden Wendepunkt in der römischen Geschichte: Mit ihm endete nicht nur die Linie der sogenannten fünf guten Kaiser, sondern auch die als Pax Romana bekannte, langanhaltende Phase relativer Stabilität und Prosperität.
Der Mann, der als Philosoph der jüngeren Stoa nach Seelenruhe, Vernunft und moralischer Integrität strebte, sah sich ununterbrochen mit den schwersten Krisen seiner Zeit konfrontiert. Kriege an mehreren Fronten, innere Aufstände, Naturkatastrophen und die verheerende Antoninische Pest zwangen den Denker auf dem Thron in die Rolle eines permanenten Krisenmanagers und Feldherrn.
Marc Aurels Aufstieg zum Kaiser war das Resultat einer weitsichtigen und komplexen dynastischen Planung durch Kaiser Hadrian. In der Periode des römischen Adoptivkaisertums sollten die geeignetsten Kandidaten als Nachfolger ausgewählt werden, meist fehlten aber auch leibliche männliche Nachkommen. Als Hadrians ursprünglich designierter Nachfolger unerwartet verstarb, musste er schnell eine neue Lösung für die Stabilität des Reiches finden. Seine Wahl fiel auf den angesehenen Senator Antoninus Pius, den er unter einer entscheidenden Bedingung adoptierte: Antoninus musste seinerseits den 16-jährigen späteren Kaiser Marc Aurel und den siebenjährigen Lucius Verus (den späteren Mitkaiser Marc Aurels) adoptieren.
Nach dem Tod Kaiser Hadrians im Juli 138 bestieg Antoninus Pius den Thron, und für Marc Aurel begann eine über zwei Jahrzehnte dauernde Vorbereitungsphase auf seine spätere Herrschaft, in der er systematisch in die Regierungsgeschäfte eingeführt wurde. Diese Jahre der Stabilität unter Antoninus prägten sein Ideal eines guten Herrschers.
Im April 145 heiratete Marc Aurel Annia Galeria Faustina, genannt Faustina die Jüngere, die Tochter seines Adoptivvaters Antoninus Pius, der damit die Position Marc Aurels als nächsten Thronfolger stärken wollte. Eine immer wieder in der modernen Literatur angenommene Verlobung der Faustina mit Lucius Verus, so schreibt Katharina Ackenheil im Begleitband zur Ausstellung, sei auf eine Namensverwechslung in einem spätantiken Text zurückzuführen. Um seinerseits die Beziehung zu seinem Mitkaiser und Adoptivbruder zu festigen, verheiratete Marc Aurel dann später seine Tochter Annia Aurelia Galeria Lucilla mit Lucius Verus.
Als Antoninus Pius im März 161 starb, trat Marc Aurel reibungslos die Nachfolge an, bestand aber darauf, seinen Adoptivbruder Lucius Verus als gleichberechtigten Mitherrscher an seiner Seite zu haben – eine Neuerung in der römischen Geschichte und ein Zeichen seiner Loyalität gegenüber Hadrians ursprünglicher Nachfolgeplanung.
Seine Frau Faustina begleitete ihn auf seinen anstrengenden und gefährlichen Feldzügen, was ihr die Zuneigung der Soldaten und den Ehrentitel Mutter der Heerlager einbrachte. Von mindestens vierzehn Kindern, die Faustina zur Welt gebracht hatte, überlebten nur sechs – fünf Töchter und ein einziger Sohn. Als sie im Winter 175/176 in einem Militärlager in Kappadokien starb, ließ Marc Aurel sie umgehend vergöttlichen, benannte den Ort ihres Todes in Faustinopolis um und richtete eine Stiftung für Waisenmädchen in ihrem Namen ein.




Die Herrschaft Marc Aurels war nicht nur durch den Tod seiner Frau und vieler ihrer Kinder geprägt, sondern auch von nahezu ununterbrochenen militärischen Konflikten. Gleich zu Beginn der Herrschaft von Marc Aurel und Lucius Verus fielen die Parther in Armenien ein und bedrohte die römische Provinz Syrien. Während Marc Aurel in Rom die Regierungsgeschäfte leitete, übernahm sein Mitkaiser Lucius Verus das Oberkommando im Osten. Nach anfänglichen Rückschlägen endete der Krieg mit einem entscheidenden römischen Sieg.
Wenige Jahre später begannen an der Donaugrenze die Markomannenkriege, als eine Koalition germanischer Stämme, angeführt von den Markomannen und Quaden, wiederholt die römische Grenze durchbrachen und ihnen sogar ein tiefer Einbruch nach Italien gelang. Als Lucius Verus 169 starb, sah sich Marc Aurel gezwungen, den Großteil seiner verbleibenden Herrschaft persönlich an der Front zu verbringen. Er errichtete sein Hauptquartier in Carnuntum und später in Sirmium und führte die römischen Legionen in zermürbenden Gegenoffensiven. Bis zu seinem Tod im Jahr 180 gelang es ihm, die Invasoren zurückzuschlagen und die Donaugrenze zu stabilisieren.






Das wohl beständigste Vermächtnis Marc Aurels ist nicht seine Politik oder seine Kriegsführung, sondern ein schmales Buch, das er nie zur Veröffentlichung bestimmt hatte: die Selbstbetrachtungen. Dieses Werk, das heute zur Weltliteratur gezählt wird, ist die letzte bedeutende Hinterlassenschaft der jüngeren stoischen Schule. Sie gewähren einen beispiellosen Einblick in den Geist eines Herrschers unter extremem Druck und seinen Versuchen, diesen Herausforderungen mit Hilfe der Philosophie standzuhalten.
Die Selbstbetrachtungen sind dabei kein systematisches philosophisches Traktat, sondern eine Sammlung von Aphorismen, Reflexionen, Ermahnungen und ethischen Übungen, die Marc Aurel für seinen persönlichen Gebrauch niederschrieb. Die meisten dieser Notizen entstanden während seines letzten Lebensjahrzehnts, das er größtenteils in Feldlagern an der Donaugrenze, während der Markomannenkriege verbrachte.
Marc Aurels Selbstbetrachtungen sind stark vom stoischen Denken geprägt. Die Ausstellungstafeln geben mit Zitaten und kurzen Textstellen einen Einblick in das 12 Kapitel, meist als Bücher bezeichnet, umfassende Werk:
Freiheit: Die Welt ist gut – daher sollten wir uns nicht damit aufhalten, das Unabänderliche ändern zu wollen. Wir können unser Schicksal akzeptieren und erkennen, was wir ändern können und was nicht. Diese Freiheit bedeutet, die inneren Einstellungen zu gestalten und so mit den äußeren Gegebenheiten bestmöglich umzugehen.
Glück: Glück bedeutet Seelenruhe, ganz unabhängig zu sein von äußeren Einflüssen. Dies bedeutet auch zu erkennen, was wir akzeptieren müssen und was wir verändern können. Wir sind selbst dafür verantwortlich, unser Glück zu erarbeiten.
Vernunft: Die Vernunft ist unsere wichtigste menschliche Fähigkeit. Wir haben die Pflicht, sie einzusetzen. Vernunft zeigt uns auch den Weg zum Glück: Akzeptieren und Pflichten annehmen, ermöglicht wahre Selbstbestimmung und innere Ausgeglichenheit.
„Was dem Schwarm nicht nützt, nützt auch der Biene nicht.“ Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 6, 54. „Ich Unglücklicher, dass mir das widerfahren musste. Doch nein, sag das nicht, sondern: Ich Glücklicher, dass ich, wiewohl mir das widerfahren ist, unbekümmert bleibe, ungebrochen vom gegenwärtigen Unglück und ohne Furcht vor der Zukunft.“ Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 4, 49. „Tu nicht so, als ob du Tausende Jahre zu leben hättest. Das Verhängnis schwebt schon drohend über deinem Haupt. Werde gut, solange du lebst, solange es dir möglich ist.“ Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 4,17.
Die wohl folgenreichste und umstrittenste Entscheidung Marc Aurels war die Ernennung seines leiblichen Sohnes Commodus zum Nachfolger. Diese Entscheidung wird oft als sein größter politischer Fehler kritisiert, da Commodus‘ Charakter und seine spätere Herrschaft in Gegensatz zu den Werten und der Pflichtauffassung seines Vaters standen.
In den mit fünf Oscars prämierter Monumentalfilm Gladiator lassen die Drehbuchautoren Joaquin Phoenix als Commodus sagen: „Du hast mir immer die vier Tugenden in deinen Briefen aufgelistet, Vater. Mäßigung, Stärke, Gerechtigkeit und Großzügigkeit. Ich wusste schon immer, dass ich keine von ihnen habe. Aber ich habe andere Tugenden, Vater. Mut, Ehrgeiz und Einfallsreichtum.“
Ob das in der Realität auch so war und Marc Aurel die Defizite seines Sohnes erkannte, aber aus dynastischer Notwendigkeit oder väterlicher Zuneigung handelte, bleibt Gegenstand historischer Debatten. Mit Commodus‘ Thronbesteigung nach dem Tod seines Vaters 180 endete jedenfalls die Ära der fünf guten Kaiser und eine Zeit der Instabilität begann.
Die Trierer Marc Aurel Ausstellung umfasst neben dem Fokus auf Marc Aurel als Kaiser, Feldherr, Philosoph im Rheinischen Landesmuseum auch die Ausstellung Was ist gute Herrschaft im Stadtmuseum Simeonstift neben dem römischen Stadttor Porta Nigra.
Heute zählen Marc Aurels Selbstbetrachtungen zur Weltliteratur und inspirieren Menschen auf der ganzen Erde, von Staatsmännern wie dem Preußenkönig Friedrich dem Großen und dem einstigen Bundeskanzler Helmut Schmidt bis hin zu modernen Anhängern des Stoizismus. Die Suche nach einem resilienten und sinnhaften Leben in Krisenzeiten oder Orientierung für gutes Regieren ist zeitlos. Angesichts der Herausforderungen unserer Zeit, von Klimawandel bis Krieg, sind die Gedanken des römischen Kaisers Marc Aurel auch heute wieder aktuell.
Marc Aurel Landesausstellung in Trier noch bis zum 23. November 2025. Die Ausstellungsräume im Landesmuseum hat das Atelier Hammerl & Dannenberg gestaltet, im Stadtmuseum das Büro Bach Dolder. Auf ihren Webseiten zeigen sie die verschiedenen Räume der Ausstellungen.
Danke fürs Lesen. Möge Fortuna stets mit Dir sein.