Die Bürger der Stadt Thysdrus in der Provinz Africa leisteten sich eine der größten Arenen der römischen Welt. Dann verschwand die Stadt in der Geschichte. Geblieben ist das letzte von den Römern erbaute Amphitheater.
Im heutigen El Jem (auch El Djem) in Tunesien steht das letzte Amphitheater, das im Römischen Imperium gebaut wurde. Seine Datierung ist zwar weder durch Grabungsergebnisse noch durch Bauinschriften gesichert, doch die Fachwelt geht davon aus, dass ein derart luxuriöser Bau allein in der Blütezeit der antiken Stadt Thysdrus errichtet worden sein kann. Vermutlich also im dritten Jahrhundert während der Regierungszeit des römischen Kaisers Gordian III. Mit seiner Kapazität für schätzungsweise 35.000 Zuschauer gehörte es zu den größten Amphitheatern der antiken Welt.
Das Amphitheater wurde nach dem Vorbild des Kolosseums in Rom errichtet und ist vollständig aus quadratischen Steinblöcken gebaut, ohne Fundamente und freistehend. Da es in dieser Region Tunesiens keine Kalksteinvorkommen gab, wurde für den Bau des Amphitheaters Sandstein verwendet. Der einst weiße Stein wurde im Laufe der Zeit ockerfarben. Die Fassade besteht aus drei Etagen mit Arkaden im korinthischen Stil in der ersten und dritten Etage und komposite Kapitelle in der zweiten Etage. Aufgrund der späten Erbauung weist es einige Verbesserungen gegenüber dem flavischen Vorbild auf. So wurden die toten Winkel, die den freien Blick der Zuschauer auf den obersten Sitzreihen behinderten, verkleinert und statischen Probleme besser in den Griff bekommen. Einzigartig ist die Nutzung des Monuments, um Regenwasser aufzufangen und nach Reinigung in riesigen Zisternen zu speichern.
Im Inneren des Denkmals ist der größte Teil der unterstützenden Infrastruktur für die Sitzreihen erhalten geblieben. Die Wand des Podiums der Arena und die unterirdischen Gänge sind praktisch noch intakt. Von hier aus konnten über Lastenaufzüge, Dekorationen, wilde Tiere oder Gladiatoren in die Arena gebracht werden. Die bis zu 36m hohe Fassade des Amphitheaters ist zum großen Teil noch dreistöckig erhalten, was sonst nur noch beim Kolosseum in Rom so ist. Andere Arenen im römischen Reich wie in Nimes, Arles, Verona oder Pula weisen heute nur noch Fassaden mit zwei Ebenen auf. Von den meisten anderen Gladiatorenkampfstätten sind nur noch die Grundmauern übrig. Auffällig sind die beiden großen Breschen in der Fassade des Amphitheaters.
Mit dem Ende der Antike verschwand langsam auch die Stadt Thysdrus. Erst verließen die letzten Einwohner die Stadt, dann verfielen die Gebäude und schließlich die Ruinen. Im elften Jahrhundert wird in arabischen Schriften das Amphitheater erwähnt, als Burg Lajem, von dem sich der Name des heutigen El Jem ableitet. Das Amphitheater soll zu dieser Zeit noch vollständig erhalten gewesen sein. Etwa 500 Jahre später rebellierten einheimische Stämme gegen die Steuerpolitik des Herrschers von Tunis, Mohamed Bey El Mouradi und verschanzten sich im Amphitheater vor dessen Armee. Die belagerten das antike Erbe der Römer und schossen mit Kanonen Breschen in die Fassade. Etwa 150 Jahre passierte nochmal ähnliches und die Lücken wurden noch größer. Weitere Bereiche im einstigen Amphitheater wurden später als Baumaterial für die Häuser des neuen Ortes genutzt.
Heute ist das Amphitheater von Thysdrus in El Jem eine der besterhaltenen römischen Ruinen in Nordafrika. Seit 1979 gehört es zum UNESCO-Weltkulturerbe, unter anderem mit der Begründung, dass der Bau eines solch anspruchsvollen und komplexen Gebäudes für populäre Spektakel in einer abgelegenen Provinz, charakteristisch für die Propagandapolitik des römischen Kaiserreichs ist. Inzwischen ist das Amphitheater eine bedeutende Touristenattraktion und in den Sommermonaten finden hier kulturelle Veranstaltungen wie das Internationale Symphonische Musikfestival von El Jem statt.
Thysdrus altes Amphitheater hat auch cineastische Bedeutung erlangt. Für Ridley Scotts mit fünf Oscars prämierten Monumentalfilm Gladiator aus dem Jahr 2000 wurden hier die Szenen der Gladiatorenkämpfe gedreht. In der satirischen Komödie Das Leben des Brian aus dem Jahr 1979 kommt das Amphitheater von El Jem als Kulisse ebenfalls vor. Als Jerusalemer Kolosseum, in dem Brian exotische Snacks verkauft und auf die Anhänger der Volksfront von Judäa stößt. Legendär von der britischen Comedy-Truppe Monty Python die Szene: Was haben die Römer je für uns getan?
Die bescheidene Berber Siedlung aus vorrömischer Zeit entwickelte sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte zur römischen Stadt Thysdrus. Während der Zeit der römischen Kaiser der Severer erlebte die Stadt ihre Blütezeit und gehörte zu den wichtigsten Städten in der römischen Provinz Africa. Der Getreideanbau und vor allem die Olivenbaumzucht und der Handel im ganzen Imperium machten Thysdrus und seine Bewohner wohlhabend. Die Rekonstruktionszeichnung zeigt das “Meer von Olivenbäumen” im Hinterland der antiken Stadt. In der Spätantike ließ die Bedeutung Thysdrus langsam nach, politische und wirtschaftliche Veränderungen läuteten den Niedergang der Stadt ein.
Das Amphitheater von El Jem auf der Webseite der Agentur für die Entwicklung des Kulturerbes und der Kulturförderung Tunesiens und auf Google-Maps. Ebenfalls sehenswert ist das Archäologische Museum in der Stadt.
Danke fürs Lesen. Möge Fortuna stets mit Dir sein. Hier kannst Du
Sehr geehrter Herr Dr Nährlich,
haben Sie vielen Dank für Ihre sehr gut recherchierte Darstellung Thysdrus: Das letzte Amphitheater der Römer. Es ist erstaunlich wie gut erhalten das Amphitheater in der römischen Provinz Afrika heute El Jem Tunesien ist. Mit Recht schreiben Sie, andere Arenen im römischen Reich wie in Nimes, Arles, Verona oder Pula weisen heute nur noch Fassaden mit zwei Ebenen auf. Und heute zählt es zum Weltkulturerbe.
Chapeaux und bitte weiter so.
Es grüßt Heinz Hupfer (Stadtteil-Historiker Frankfurt Sossenheim) mit nachgewiesener römischer Siedlungsstelle (Villa rustica) Gutshof, Gräberfeld, römischen Münzfunden und Scherbenfunden in der civitas taunensium mit dem Hauptort Nida (Frankfurt Heddernheim) am damaligen Verkehrstransportweg Nidda mit Hafenanlage. Die Nida wurde mit Prahmen befahren wurde – gesegelt, getreidelt oder gestakt.
Lieber Herr Hupfer, herzlichen Dank für das freundliche Feedback und vielen Dank für ihr Engagement über das römisch Nida! Beste Grüße, Stefan Nährlich