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Mosaike im El-Jem Museum

Das El-Jem Museum in Tunesien zeigt Mosaike aus dem dritten Jahrhundert und gibt einen Einblick in die Lebenswelt der Bevölkerung in der römischen Provinz Africa. Ein Mosaik könnte den Maler Sandro Botticelli zu seinem Werk Geburt der Venus inspiriert haben.

Die großartigen Mosaike im 1970 gegründeten und 2002 erweiterten El-Jem Museum berichten von der Lebenswelt und dem Wohlstand der Bewohner des antiken Thysdrus in römischer Zeit. Das Museum wurde an der Stelle einer römischen Villa errichtet, deren räumliche Organisation es nachbildet. Das Gebäude folgt einem typisch mediterranen Hausgrundriss mit einem zentralen Innenhof und einer Anordnung der Räume um ein Peristyl herum. Die dort ausgestellten Mosaiken, Skulpturen und Keramiken stammen aus Ausgrabungskampagnen, die in Thysdrus und Umgebung durchgeführt wurden. Direkt neben dem Museum liegt ein kleiner archäologischen Park mit den Überresten verschiedener Villen aus der Römerzeit.

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Mosaike aus dem römischen Africa im El-Jem Museum

Mehrere großflächige Bodenmosaike mit bildlichen Darstellungen oder geometrischen Mustern sind in diesem Raum des El-Jem Museums ausgestellt. An der rechten Wand ein Mosaik, dass in dem konkaven Sechseck den Gott der Ewigkeit Aion zeigt. Rechts und links neben ihm Luna bzw. Artemis auf der rechten Seite und Sol bzw. Apollo auf der linken Seite. Jeweils darüber und darunter befinden sich sinnbildliche Darstellungen der vier Jahreszeiten. Das Mosaik stammt aus dem dritten Jahrhundert.

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Sinnbildliche Darstellung der Jahreszeit Frühling

Das große Mosaik mit der Darstellung des Triumphs des Bacchus bzw. Dyonisos und dem trunkenen Silenus, der von Helfern gestützt wird, stammt aus einem großen Haus, das, so der Text, “typisch für Wohnungen der Mittelschicht (Handwerker, Ladenbesitzer usw.)” war. In acht Medaillons auf dem Mosaik sind die Kindheit des Gottes und die Feier seines Sieges dargestellt. Die vier rechteckigen Tafeln zeigen mythische Meeresbewohner, Ichthyokentauren und Nereiden. Datiert ist das Mosaik auf das Ende des zweiten oder Anfang des dritten Jahrhunderts.

Das Mosaik auf dem Foto rechts stellt die neun Musen, begleitet von ihren Attributen, dar. Bekanntlich sind dies Clio (Muse der Geschichte), Urania (Astronomie), Melpomene, (Tragödie), Thalia (Komödie), Terpsichore (Tanz), Kalliope (epische Dichtung), Erato (Liebesdichtung), Polymnia (religiöse Lieder und Rhetorik) und Euterpe (Musik). Aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts. Die Musen sind ein beliebtes Motiv gewesen und wurden vielfach auch als Statuen dargestellt, wie sie beispielsweise im Madrider Prado-Museum zu sehen sind.

Eine weitere beliebte Darstellung ist die des Weingottes Dionysos. Hier reitet er auf einem Löwen und sein Gefolge begleitet ihn lärmend. Um ihn herum eine tanzende und Tamburin spielende Bacchantin und zwei Satyrn. Auf einem Kamel sitzt Silenus, dahinter Mystis, die Amme des Dionysos und ein Panther. Aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts.

Die Darstellung der Entführung des trojanischen Prinzen Ganymed in den Olymp der Götter ist von jahreszeitlichen Motiven, Maskenpaaren und Szenen aus der Mythologie umgeben. Das Mosaik wurde Ende des zweiten Jahrhunderts gefertigt.

Wie in der Antike Bodenmosaike hergestellt wurden, ist recht gut dokumentiert. Auf dem nivellierten Boden wurde ein Fundament aus hochkant verlegten Bruchsteinen, eine zwei bis fünf Zentimeter dicke Zwischenschicht aus Kalkmörtel mit Ziegelbruchstücken und eine ebenso dicke Mörtelschicht aus zerstoßenen Ziegeln und Kalk aufgebracht. Hierauf kam eine Kalkschicht, auf die das Motiv gezeichnet wurde.

Die Qualität des Mosaiks hing im Wesentlichen von diesem gemalten Motiv ab, weshalb dem Maler im Team (pictor imaginarius) die größte Bedeutung zukam. Andere Mitglieder im Team (tesselari), stellten die Mosaiksteine her und verlegten sie. Die Geschicktesten unter ihnen führen das figürliche Muster aus, die weißen Flächen des Hintergrunds verlegten die Lehrlinge. Die Mosaikkünstler boten ihren Kunden auf Holztafeln oder Papyrus verschiedene Motive zur Auswahl an. Sicher war es gegen Aufpreis auch möglich, eigene Ideen und Motive umsetzen zu lassen.

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Besucher im El Jem Museum. Nur wenige kommen noch nach dem Besuch des Amphitheaters hierher.

Das heutige El Jem wird vor allem wegen seines sehr gut erhaltenen Amphitheaters besucht. Und so gibt es aus dem antiken Thysdrus auch Mosaike, die sich mit Gladiatoren- und Tierkämpfen beschäftigen. Es gibt aber auch Motive, die einen Einblick in den Hintergrund der Spiele geben.

Das Mosaik der Eule beispielsweise zeigt auf seiner Oberseite das Emblem der Telegenii. Die Telegenii waren eine von fünf bekannten Vereinen (Sodalitäten), die die Shows in den Amphitheatern in der römischen Provinz Africa organisierten. Ganz genau weiß man nicht, wie sie strukturiert waren und was sie taten. Ihr Kerngeschäft war wohl der Unterhalt der wilden Tiere, bis diese bei den Spielen in der Arena eingesetzt und getötet wurden. Das heißt, sie sorgten dafür, dass rechtzeitig vor den Spielen die benötigten Tiere verfügbar und einsatzfähig waren. Außerdem beschäftigten sie die Tierkämpfer und bildeten sie vielleicht auch aus. Bekannt ist, dass sie auch als Bestattungsgesellschaften tätig waren. Möglicherweise machen sie auch weitere Geschäfte, die sich bei Gelegenheit ergaben.

Auf jeden Fall waren die Telegenii ziemlich von sich überzeugt. Das Mosaik mit der Eule in einer Toga ist bekannt als der Sieg über die Neider. Denn die Inschrift lautet etwa: Die Vögel sterben vor Neid, und die Eule kümmert sich nicht darum (Invidia rumpuntur aves, neque noctua curat). Das Mosaik wurde im Frigidarium einer Therme gefunden, wo es Ende des dritten Jahrhunderts verlegt wurde.

Aus einer anderen Theme stammt das Türschwellenmosaik mit der Darstellung von fünf Fischen, umgeben von Balken in fünf Medaillons. Es ist das Emblem der Pentasii, einer konkurrierenden Vereinigung. Ebenfalls aus dem dritten Jahrhundert.

Neben den eindrucksvollen Mosaiken sind im El-Jem Museum einige Büsten und Statuen ausgestellt sowie im Innenhof eine überlebensgroße Statue des römischen Kaisers Trajan. Leider habe ich nicht genau hingesehen, als ich dort war. Es scheint sich aber eher um eine bemalte Gipsstatue als einen Bronzeguss zu handeln und, aufgrund des Gesichtsausdrucks, eher um eine künstlerische Interpretation, als um eine historische Nachbildung des römischen Kaisers zu handeln.

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Statue mit der Beschriftung CAES. AVG. TRAIANVS L’EMPEREUR CESAR AUGUSTE TRAJAN 98-117

Unmittelbar angeschlossen an das Museum und mit direktem Zugang befinden sich im archäologischen Park die Überreste verschiedener Villen aus der Römerzeit.

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Fast übersehen und leider nur als Bild in einer Informationstafel im El-Jem Museum vorhanden, ist ein Mosaik, dessen Motiv die meisten Menschen als Gemälde kennen. Sandro Botticellis Die Geburt der Venus aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Es ist in den Uffizien im italienischen Florenz ausgestellt. Der Raum mit dem Mosaik im El-Jem Museum ist leider zurzeit geschlossen.

Das Motiv aus der römischen Villa ist kein Unikat. Auch die Mosaikmacher in Hispanien müssen es im Angebot gehabt haben, denn das Malaga-Museum in Spanien stellt ein solches Venus-Mosaik ebenfalls aus. Es stammt aus dem selben Jahrhundert wie die Mosaike in El Jem. Ohne mich mit Botticellis Gemälde näher auszukennen, würde ich doch behaupten, dass Botticelli das vermutlich weit verbreitete römische Mosaikmotiv gekannt hat und nicht nur von der mythologische Geschichte der Geburt der Venus wusste. Das weltbekannte Gemälde aus der Renaissance hat für ich eine große Ähnlichkeit mit dem antiken Mosaikmotiv.

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Das El-Jem Museum in El Djem, Tunesien. Etwa 1km vom Amphitheater entfernt

Das El-Jem Museum auf der Webseite der Agentur für die Entwicklung des Kulturerbes und der Kulturförderung Tunesiens und auf Google-Maps.

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