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Die Bronzen von San Casciano dei Bagni

In Berlin werden zurzeit spektakuläre Funde aus der Antike gezeigt: Die Bronzen von San Casciano dei Bagni. Erstmalig außerhalb Italiens und dann auf absehbare Zeit wohl auch letztmalig. Bis Mitte Oktober kann man die Berliner Ausstellung noch besuchen.

Die James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel präsentiert derzeit eine sehenswerte Ausstellung: Die Bronzen von San Casciano dei Bagni. Eine Sensation aus dem Schlamm. Die ausgestellten Bronzeobjekte wurden in den Jahren 2022 und 2024 in einem nur drei mal vier Meter großen Becken einer Thermalquelle in der Toskana entdeckt. Jetzt sind sie erstmals außerhalb Italiens zu sehen. Mit dabei sind auch neueste Funde aus der Grabungskampagne vom letzten Herbst, die jetzt erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

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Die Bronzen von San Casciano dei Bagni in Berlin.

Die Funde umfassen Groß- und Kleinbronzen aus den letzten drei vorchristlichen Jahrhunderten bis zum späten vierten Jahrhundert aus der einst etruskischen und später römischen Stadt Chiusi (Clusium).

Zu sehen sind unter anderem Statuen mit lateinischen Inschriften, wie die eines kranken jungen Mannes, Lucius Marcius Grabillo, aus Chiusi, der der heißen Quelle auch weitere Statuen stiftete. Außerdem die Bronzefigur eines Mannes in Rednerpose, mit römischer Toga und senatorischem Schuhwerk. Andere Statuen und männliche Portraitbüsten haben noch etruskische Inschriften. Die Votivstatue einer Priesterin in einem fließenden Chitonkleid folgt hellenistischen Vorbildern, die Bronzefigur eines Knaben hält einen Ball in der Hand, der sich immer noch drehen lässt. Der römische Gott Apoll (etruskisch Aplu) ist als Bogenschütze dargestellt. Figuren wie die betende Frau fand man kopfüber im Thermalbecken deponiert vor, damit sie dem Ursprung der Quelle möglichst nahekam.

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Männlicher Porträtkopf aus Bronze mit etruskischer Weihung an Flere Havens (Göttin der Quelle), 1. Jh. vor Christus: “Für Nufre, aus der Familie Nufrzna, Sohn von Arnth, aus Phersna (Perugia), an die Göttin der Quelle, aufgestellt, um (ein Gelübde) einzulösen.”
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Weibliche Bronzestatue mit Weihung in Etruskisch an Flere Havens (Göttin der Quelle), 2. Jh. v. Christus: “Aule Scarpe, Sohn von Aule und Velimnei, als heiliges Geschenk an die Göttin der Quelle.”

Die Funde sind aus mehreren Gründen außergewöhnlich: Zum einen sind Bronzen aus der Antike ohnehin sehr selten, da sie meist in nachfolgenden Jahrhunderten zerstört und zur Metallgewinnung eingeschmolzen wurden. Zum anderen sind die Bronzen aus San Casciano dei Bagni sehr gut erhalten. Der schwefelhaltige Schlamm der Quelle und die rituelle Versiegelung der Stätte nach dem Blitzeinschlag haben die Bronzeobjekte über Jahrhunderte teilweise perfekt konserviert. Das außerdem Bronzestatuen als Votivgaben gefunden wurden, zeugt von einer wohlhabenden Klientel. Üblicherweise waren Votivgaben in der Antike meist aus Terrakotta und wurden oft als Massenware gefertigt. Im Quellheiligtum von Chiusi sorgten sich offensichtlich nicht nur die einfachen Leute um ihre Gesundheit.

Um das Jahr 40 wurde das Quellheiligtum versiegelt, da ein Blitz eingeschlagen war. Ein Zeichen der Götter, aber kein Gutes. Zu der Zeit waren die Etrusker bereits römische Bürger und auch weitgehend romanisiert. Das Heiligtum wurde auch in der römischen Kaiserzeit bis ins späte vierte Jahrhundert weiter besucht. Die Nutzung endete erst im frühen fünften Jahrhundert, als die Christianisierung den Kult beendete. Mit den Christen ließ die religiöse Toleranz nach.

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Objekte wie diesen männlichen Porträtkopf aus Bronze in Glasvitrinen zu fotografieren, ist immer eine Herausforderung für mich. Häufig sind ungewollte und störende Spiegelungen auf den Bildern, wenn man aus einer bestimmten Perspektive fotografieren will. Bei dieser Gelegenheit habe ich Adobes neue iPhone Kamera-App Project Indigo ausprobiert. Adobe verspricht höhere Auflösungen, Rauschunterdrückung und eine nachträgliche automatische Reflexionsentfernung. Rechts ist das von mir aufgenommene Foto, links die erkannte Reflexion und in der Mitte das von der App-KI bearbeitete Bild ohne Reflexion.

Die Ausstellung in der James-Simon-Galerie zeigt aber nicht nur Statuen, sondern gibt auch einen Einblick in die Opfergaben der einfachen Leute, die sich keine teuren Statuen leisten konnten. In San Casciano dei Bagni hat man rund 9.000 Gold-, Silber- und Bronzemünzen gefundenen, von denen einige in Berlin gezeigt werden. Ein kleiner, aber feiner Einblick in das Feld antiker Münzen und das, was auf ihnen eingeprägt war. Eine vom Wert kleine Kupfermünze (As) mit dem Bildnis des Marcus Vipsanius Agrippa, eine ebensolche Münze mit dem Bild des Kaisers Domitian oder eine Kupfermünze, die unter Kaiser Tiberius zur Ehrung des göttlichen Augustus geprägt wurde.

Nach drei Stationen in Italien ist Berlin die erste und einzige Präsentation der Bronzen von San Casciano dei Bagni im Ausland und eine Attraktion zum Start des Jubiläums der Museumsinsel in Berlin. Besonders erfreulich ist, dass auch die spektakulären Neufunde aus der Grabungskampagne vom Herbst 2024 präsentiert werden, die noch nicht einmal in Italien zu sehen waren. Der Fund ist wegen der Anzahl und Qualität der Objekte ein archäologischer Glücksfall, dessen Bedeutung mit der Entdeckung der berühmten Riace-Krieger vor 50 Jahren verglichen wird.

Nach dem Ende der Ausstellungstournee werden die Funde in einem eigens für sie errichteten Museum in San Casciano eine dauerhafte Heimat finden, ergänzt durch einen archäologischen Park. Bald werden die Funde hoffentlich dem kleinen Ort die gewünschte Aufmerksamkeit und Zukunftsperspektive verschaffen.

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Die Bronzen von San Casciano dei Bagni. Eine Sensation aus dem Schlamm. Ausstellung in der James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel.

Webseite der Ausstellung Die Bronzen von San Casciano dei Bagni und die James-Simon-Galerie auf Google Maps. Noch bis zum 12. Oktober 2025.

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2 Replies

  1. Salve Herr Dr. Stefan Nährlich,
    ich möchte Ihnen hiermit ganz herzlich danken für Ihre tollen Beiträge, auf die ich leider erst so spät gestoßen bin. Als Italienfan im Allgemeinen mit Interesse für Rom, Venedig und Sizilien haben sich Sie bei mir mit Ihren letzten beiden Veröffentlichungen ins Schwarze getroffen. Sonntagabend habe ich von den Bronzenen gelesen und wäre am liebsten gleich losgefahren. Mit dem Zug nicht immer so einfach, aber heute war ich die Erste in der Ausstellung. War gut so zum KZV ungestörten Fotografieren. Vor Aufregung habe ich vergessen, di Bilder mit Ihrer Adobe Empfehlung aufzunehmen. Ich hatte auch RAW im IPhone nicht aktiviert. Macht nichts, es war unglaublich schön, diese Meisterwerke, praktisch vor der Haustür, sehen zu dürfen.
    Die Münzen haben mich alte „Bekannte“ Wiedersehen lassen. Was man als Laie halt so weiß von den Tugenden und Untugenden.
    Jetzt sitze ich mit dem Begleitbuch und genieße die Eindrücke noch einmal.
    Sonntag starte ich nach Süditalien, wo auch die beiden schönen Krieger von Riace auf „mich“ warten. Auch für diesen Betrag herzlichen Dank. Er kam wie gerufen.
    Ich finde auch Ihre technischen Tips, z.B. bezüglich der Adobe App sehr gut.
    Na, und Ihr Interview mit Vespersian hat mich fast umgehauen. Unglaublich.
    Ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge von Ihnen und wünsche Ihnen noch viele schöne Erkundungen.
    Mit besten Grüßen
    Dagmar Corell

    • Liebe Frau Corell, vielen Dank für ihr freundliches Feedback. Ich freue mich, dass Ihnen mein Blog gefällt! Haben Sie eine gute Reise nach Italien. Die Krieger A und B sind schon sehr sehenswert … Viele Grüße, Stefan Nährlich

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