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Die “Grotten des Catull” am Gardasee

Sirmione am Gardasee ist ein Sehnsuchtsort. Vor 2000 Jahren für den römischen Dichter Catull. Heute für Millionen Touristen. Da wird es schön voll, bei den “Grotten des Catull” ist es aber dann wieder nur noch schön.

“Mein Sirmio, du Perle der Halbinseln und Inseln, welche auch immer Neptun, der Herr über beide, auf den klaren Seen und dem weiten Meer trägt; wie gern und wie froh sehe ich dich wieder, mir selbst kaum glaubend, dass ich Thynien und die bithynischen Felder verlassen habe und dich in Sicherheit sehe! O was gibt es Seligeres als gelöste Sorgen, wenn unser Geist die Last ablegt und wir müde vom Mühsal in der Fremde zum eigenen Herd kommen und im ersehnten Bett ausruhen? Das ist es, was als einziges so große Mühen aufwiegt. Sei gegrüßt, mein reizendes Sirmio, und freue dich deines Herrn; freut auch ihr euch, ihr Wellen des Gardasees: lacht, soviel euch an fröhlichem Lachen zur Gebote steht!” Catull c. 31

Catull im Kopf und den Reiseführer vor Augen, bringt mich der Linienbus von Verona ganz bequem nach Sirmione, theoretisch sogar bis direkt vor die Altstadt. Praktisch jedoch kommt der Bus, sobald er Sirmione erreicht hat, kaum noch im Schritttempo voran. Auch andere Touristen sind auf dem Weg zu diesem schönen Fleck Erde am Gardasee. Also aussteigen und zu Fuß weiter. Wer denkt, auf dem schmalen Bürgersteig neben der Straße ist es voll, ist zum ersten Mal hier. Voll wird es erst in der Altstadt.

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Besucher in der Altstadt von Sirmione

Hat man erst die Altstadt von Sirmione hinter sich gelassen und erreicht die Spitze der Halbinsel, sind von 100 Touristen noch fünf dabei. Der Eintritt in den archäologischen Park kostet acht Euro und schon eröffnet sich eine grandiose Aussicht über den Gardasee, unterbrochen von den Überresten antiker Säulen, Bögen, Gewölbegängen und den Mauerresten einer großen römischen Villenanlage. Die Villa stammt aus der Zeit des ersten Kaisers Octavian Augustus, als die neue herrschende Klasse aus den benachbarten Städten Brescia und Verona ihre politische Bedeutung auch durch repräsentative Residenzen zum Ausdruck brachte. Das Gebäude an der äußersten Spitze der Halbinsel von Sirmione ist auf drei Seiten vom See umgeben und erfüllt alle Kriterien einer Spitzenimmobilie: Lage, Lage, Lage.

Die Bezeichnung Grotten geht auf die ersten Entdecker zurück, die im 15. Jahrhundert die Überreste der seit Jahrhunderten verlassenen Villa besichtigten. Die eingestürzten und von der Vegetation überwucherten Räume sahen aus wie natürliche Höhlen, die man betreten konnte. Bereits zu dieser Zeit wurden die antiken Strukturen dem Veroneser Dichter Gaius Valerius Catullus (84-54 v. Chr.) zugeschrieben, der Sirmione und seinem Haus am See berühmte Verse gewidmet hatte. Die prachtvolle Villa aus augusteischen Zeit konnte aber nicht Cartull gehören, weil sie nach seinem Tod gebaut wurde. Die ältesten Überreste der Villa, die im südlichen Teil der Anlage gefunden wurden, stammen jedoch aus der Zeit des Dichters. Neuere Studien gehen davon aus, dass die Eigentümer zur gens valeria, einer mächtigen adeligen Familie aus Verona gehörten. Später, im zweiten Jahrhundert n. Chr., gehörte die Villa vielleicht Gaius Herennius Caecillianus, Quästor der Provinz Gallia Narbonensis und Mitglied des römischen Senats.

Die Villa erstreckte sich auf einer Fläche von fast drei Fußballfeldern und wies einen rechteckigen Grundriss mit zwei Vorsprüngen an den kurzen Seiten auf. In der Mitte lag ein großer Garten mit Arkaden. Im Süden befand sich der Haupteingang mit repräsentativen Räumen und im Norden eine große Panoramaterrasse mit Blick auf den See. Abgestützt wurde die Terrasse durch einen mächtigen Unterbau aus einer Mischung aus Steinsplittern und opus caementicium (römischer Beton). Der Unterbau selbst wurde als Unterkunft für die Bediensteten, als Vorratslager und wohl auch für Werkstätten genutzt. Im südlichen Bereich der Villa baute man zwischen dem Ende des ersten und dem Beginn des zweiten Jahrhunderts eine großzügige Thermenanlage in den Gebäudekomplex ein. Das Heißbad wurde über Bleirohre aus einer heißen Schwefelquelle im See versorgt. Trinkwasser wurde in Zisternen gesammelt.

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Reste des Kryptoportikus unter der Villa

Die Geländestruktur auf der Halbinsel fiel von Süd nach Nord ab, was es für den Architekten notwendig machte, dort einen Unterbau anzulegen, um eine gerade Ebene für die Villa zu erreichen. Das Gebäude besteht daher im nördlichen Bereich aus drei Ebenen, während der südliche Teil ebenerdig gebaut werden konnte. Nicht nur die Reste dieses Unterbaus an der nördlichsten Spitze sind schön anzusehen, ein ebenso wunderbares wie bekanntes Motiv ist auch der Kryptoportikus (versteckter Wandelgang) mit den teilweise erhaltenen Stützbögen aus Kaltstein und Ziegelstein. Von den Wohn- und Repräsentationsräumen der prächtigen Villa ist leider nichts mehr erhalten. Die reiche Ausstattung solcher Palastvillen mit Mosaiken zeigen Villen in Germanien und auf Sizilien.

Auf dem Rückweg habe ich noch eine Statue der Victoria von Bresica im Park eines Hotels gesehen. Das Original stammt aus etwa der gleichen Zeit wie die römische Villa.

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Victoria von Brescia im Park eines Hotels

Zu den Grotten des Catull von Verona aus jeweils in ca. einer Stunde mit dem Bus LN026 ab Verona Porta Nuova oder mit dem Regionalzug nach Desenzano und dann weiter mit dem Bus LN026.

Informationen: Grotten des Catull und Archäologisches Museum von Sirmione.

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