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Museo Lapidario Maffeiano: Das erste Museum für die Massen

Vor 275 Jahren eröffnete das Museo Lapidario Maffeiano in Verona. Es war das erste Museum für die ganze Bevölkerung. Aus der Sammlung der antiken Steinwerke sticht das Testament der Witwe Epikteta zur Gründung eines Vereins heraus.

Im Jahr 1745 eröffnete nach langer Vorbereitungszeit das nach seinem Initiator Francesco Scipione Maffei benannte Antikenmuseum in Verona. Es war das erste Museum, dass sich nicht nur an Adelskreise wandte, sondern der Allgemeinheit offenstand. Maffei trug für sein Museum griechische, etruskische und römische Inschriften und Reliefs, Urnen und Sarkophage, architektonische Fragmente und Skulpturen aus Italien und Europa zusammen und baute sein Museum nach den Grundprinzipien der modernen Museologie auf: die Materialien wurden nach wissenschaftlichen Kriterien analysiert, die Aufbewahrung orientierte sich am Schutz und der Erhaltung des Kulturguts und mit pädagogischen Konzepten wurden den Besuchern die Ausstellungsobjekte näher gebracht.

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Eingang zum Museo Lapidario Maffeiano in Verona

Der Eingang von der anliegenden Piazza Bra führt den Besucher direkt auf die Monumentalfassade mit den sechs ionischen Säulen der ehemaligen Philharmonie zu, die in das Museum integriert wurde. Um einen offenen Innenhof verlaufen rechts und links zwei Säulengänge. Auf der linken Seite werden zahlreiche Grabinschriften verschiedener Herkunft aufbewahrt, während auf der rechten Seiten die lateinischen Inschriften aus Verona ausgestellt sind. Zur Straßenseite hin liegen auf drei Ebenen die Museumsräume.

Besonders bedeutende Inschriften und Reliefs des Museo Lapidario Maffeiano befinden sich in der Vorhalle. Hierzu gehört das Grabmonument der Sertorii, von dem drei Grabstelen aus weißem Kalkstein erhalten sind.

Das Grabmonument wurde von zwei Brüdern, Quintus Sertorius Festus und Lucius Sertorius Firmus, für die Eltern und für die Ehefrau des Firmus errichtet. Die beiden Brüder haben sich als Angehörige des römischen Heeres darstellen lassen. Quintus Sertorius Festus dürfte als Zenturio, als Führer einer Hundertschaft, gedient haben, und Lucius Sertorius Firmus als Aquilifer, als Träger der Adlerstandarte einer Legion. In den Inschriften wird die Legio XI Claudia Pia Fidelis genannt, die erst im Jahr 42 n. Chr. den Beinamen Claudia und die Ehrenbezeichnung Pia Fidelis (“pflichtbewusst und treu”) erhielt. Die Grabstelen sind ein Beispiel für das figürliche Motiv der “Stehenden Soldaten”, das sich erst in Italien entwickelte und später im Rheingebiet verbreitete. 

Weitere Reliefs im Hof des Museo Lapidario Maffeiano stammen von anderen römischen Soldaten, aber auch von Zivilisten. Eine marmorne Grabstele nennt Tiberius Claudius Festus aus Brescia, Soldat der I. Prätorianer Kohorte aus der Zenturie von Vettius Valens. Festus war als Mitglied der Leibgarde des Kaisers in Rom stationiert. Die Grabstele aus der Salaria-Nekropole in Rom wird auf das erste bis zweite Jahrhundert datiert.

Die aus rötlichem Kalkstein gefertigte Grabstele des Freigelassenen Marcus Viriatius Sozimus aus Verona besteht aus zwei Platten. Die erste Szene stellt zwei Personen auf einem Wagen dar und ist wohl als Illustrierung einer beruflichen Tätigkeit zu verstehen. Die andere Szene zeigt einen Hausherr und seinen Diener, die eine Haushaltsangelegenheit erledigen. Viriatus Zosimus ist vielleicht als Verwalter für seinen Dominus tätig gewesen. Die Grabstele stammt aus dem ersten Jahrhundert.

Für seinen Freud Sextus Naevius Verecundus aus Verona hat ein Cornelius Epoi den Grabstein erstellen lassen. Verecundus war Feldzeichenträger in der XIV. Städtischen Kohorte und war in seiner Dienstzeit in Rom mit Polizeiaufgaben betraut. Nach seinem Tod wurde er in seiner Heimatstadt beerdigt. Die Grabstele stammt aus dem ersten Jahrhundert. Auch die Grabstele für Quintus Modius Amomo ließ ein Freund anfertigen. Er hieß Gavius Severus. Der Verstorbene diente als einfacher Soldat in der VIII. Prätorianer Kohorte. Auch seine Grabstele stammt aus der Salaria-Nekropole in Rom und ist auf das erste oder zweite Jahrhundert datiert.

Nicht zum Militär gehören Aurelius Euthyches und seine Frau Aemilia Irene aus Rimini. Der Komödienschauspieler aus einer Theatergruppe hat für seine mit 26 Jahren früh verstorbene Frau eine reliefverzierte Grabstele anfertigen lassen. Die Darstellung im Oberteils der Stele zeigt Venus. Im Sepulkral Bereich gilt die Göttin der Liebe als Symbol der ewigen und idealen Schönheit. Datiert wird die Grabstele auf das zweite oder dritte Jahrhundert.

Ein schöner Schatz befindet sich im Griechischen Saal des Museo Lapidario Maffeiano: Große Steinplatten, die Auskunft über die Wohltätigkeit einer Griechin geben. Die Inschrift vom Ende des dritten oder Anfang des zweiten Jahrhunderts vor Chr. ist eine der längsten erhaltenen griechischen Texte aus der Antike. Er ist in acht Spalten aufgeteilt und erstreckt sich über vier rechteckige aneinandergrenzende Tafeln aus grauem Kalkstein.

Epikteta war die Witwe des Aristokraten Phoinix von der griechischen Insel Thera. Sie vollendete den Bau eines Musenheiligtums (Museion), in dem die Schutzgöttinnen der Künste verehrt wurden und das gleichzeitig auch eine Bildungseinrichtung war. Die Sorge um das Museion übertrug Epikteta in ihrem Testament ihrer Erbtochter Epiteleia, da ihre beiden Söhne verstorben waren. In dem Testament verfügt Epikteta die Gründung eines Vereins als Träger des Musenheiligtums und verfasst auch die Satzung. Dem Verein gehören die männlichen Verwandten der Familie an, auch die Frauen können aufgenommen werden. An drei Tagen im Jahr sollen nach dem Willen Epiktetas Kulthandlungen stattfinden. Das oberste Priesteramt des Heiligtums soll der Sohn von Epiteleia ausüben. Nach dessen Tod soll das Amt auf den jeweils ältesten männlichen Nachkommen übergehen. Die Leitung des Vereins übernimmt ein von der Mitgliederversammlung jährlich zu wählender Vorsitzender, der von einem Mitarbeiterstab unterstützt werden soll. Seine Aufgabe ist es, die Aufsicht über die regelmäßige Ausübung des Kultes zu führen und dafür zu sorgen, dass die Vereinsmitglieder nicht versuchten, Heiligtum und Verein in irgendeiner Weise ihrem Zweck zu entfremden. Die Unterhaltskosten für das Musenheiligtum sollen aus den Zinsen einer Hypothek von 3000 Drachmen bestritten werden, mit der Epikteta ihre Landgüter belastet hat. Die Vermögensverwaltung hat sie ihrer Erbtochter Epiteleia übertragen, die den jährlichen Zinsertrag von etwa 7 Prozent dem Verein zuführen soll. 

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Testament mit Vereinssatzung der Epikteta

Stiften und spenden, Vereine und Steuervorteile bei der Übernahme von Gemeinwohlaufgaben gab es auch schon in der Antike. Über Beispiele aus Ephesus und Flavia Solva habe ich schon in meinem Blog geschrieben.

Museo Lapidario Maffeiano: Homepage des Museums.

Museo Lapidario Maffeiano: Objekte des Museums in der zentralen Objektdatenbank Arachne des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und des Archäologischen Instituts der Universität Köln.

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