Wie sahen die Menschen in der Antike aus, wie ließen sie sich bildlich darstellen? Aus dem römischen Ägypten zeigen uns dies sogenannte Mumienporträts, bemalte Holztäfelchen, die man von Verstorbenen anfertige.
Mumienporträts sind realistische, auf Holztafeln gemalte Bildnisse von Verstorbenen, die in die Leinenbinden von Mumien eingearbeitet wurden. Sie stammen aus der römischen Kaiserzeit des ersten bis dritten Jahrhunderts und wurden vor allem in Ägypten gefunden. Diese Porträts gehören zur Tradition der ägyptischen Mumifizierung, zeigen aber starken griechisch-römischen Einfluss in Malstil und Technik.
Die Maler verwendeten oft dünne Holztafeln aus Hartholz, beispielsweise von Linden oder Zypressen, die mit dem Bildnis des Verstorbenen bemalt wurden. Angewendet wurde entweder die Enkaustik-Technik, wobei Farbpigmente mit heißem Wachs vermischt wurden, oder die Darstellung erfolgte in Form der Temperamalerei. Hierbei wurde wasserverdünntes Eigelb oder Leim als Bindemittel verwendet. Die Portraits wurden dann über das Gesicht der einbalsamierten Mumie gelegt und mit den Leinenbinden befestigt. Die meisten Mumienporträts wurden in Ägypten gefunden, insbesondere auf den Friedhöfen von Hawara und Er-Rubayat im Fayyum-Becken in Mittelägypten.

Mumienporträts waren Teil der Begräbniskultur in Ägypten und sollten das Gesicht der Verstorbenen für das Jenseits bewahren. Sie spiegeln sowohl ägyptische Jenseitsvorstellungen als auch römisch-hellenistische Porträtkunst wider. Heute sind sie eine der wichtigsten Quellen für die römische Porträtkunst und die Kultur des hellenistischen Ägyptens. Sie geben einzigartige Einblicke in Kleidung, Frisuren und Schmuck der einheimischen Oberschicht, die sich kulturell stark an Rom orientierte.


Die Mumienportraits zeigen auch das Fortbestehen einheimischer Traditionen unter Fremdherrschaft und gleichzeitig das Aufnehmen neuer kultureller Einflüsse. Auch in Zeiten der griechischen und römischen Besatzung in Ägypten waren die alten Bestattungssitten nicht aufgegeben worden. So wurden die Verstorbenen weiterhin einbalsamiert und in Form von Mumien beigesetzt. Als neues Element fügte man zuweilen das auf eine Holzplatte gemalte – oft naturgetreu gehaltene – Porträt des Toten in den Mumienkörper ein.
Dem Gesicht des Mädchens auf dem Mumienportrait rechts oben verleihen dunkle und helle Bereiche Plastizität und Tiefe. Unter den feinen Stirnlocken liegt ein leichter Schattenwurf, der Nasenrücken ist durch ein Glanzlicht betont, der Nasenschatten durch Schraffur herausgearbeitet.






Das Porträt Älterer Mann mit Vollbart zeigt einen Mann mit typisch betonter Augenpartie: große, schwarz umrandete, dunkle Augen mit buschigen Brauen. Die schwarzen und weißen Kopf- und Barthaare sind in vielen regelmäßigen Strähnen auf dunkelbraunem Grund gemalt. Man erkennt deutlich den Malstil der Temperatechnik mit Linien und Schraffuren. Der Mann trägt römische Kleidung, eine weiße Tunika mit roten Streifen. Das Mumienportrait stammt aus der Antikensammlung im Kunsthistorisches Museum Wien.

Aus einer römerzeitlichen Grabkammer in Hawara stammt das gemalten Bildnis einer Frau, das heute im Neuen Museum Berlin ausgestellt ist. Die griechische Inschrift nennt den Namen Aline, das Sterbealter von 35 Jahren und das Jahr zehn eines nicht genannten Kaisers.
Anhand der Tracht und Frisur der Dargestellten, die sich am römischen Kaiserhaus orientierte, ist dieses Porträts relativ genau zu datieren, schreibt der Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin. Alines sorgsam geordnete Löckchenfrisur entspricht der Mode unter Kaiser Tiberius, in dessen zehnten Regierungsjahr sie verstorben ist, so dass ihr Todestag im Jahr 24 liegen muss. Vor fast genau 2000 Jahren fertigte dementsprechend ein Maler das Portrait der Aline an.
Realistische Darstellungen von Menschen gab es in der Antike auch noch in anderer Form. Aus der Oasenstadt Palmyra im heutigen Syrien sind steinerne Portraits von Römerinnen und Römern erhalten geblieben.
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