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Palmyra Portraits: Gesichter aus dem römischen Orient

Die Palmyra Portraits sind steinerne Gesichter aus der Antike, mit denen einst Verschlussplatten von Gräbern geschmückt waren. Sie sind zugleich einzigartige Zeugnisse einer kosmopolitischen und wohlhabenden Gesellschaft des römischen Orients.

Die Palmyra Portraits sind Grabverschlussplatten aus der Oasen- und Karavanenstadt Palmyra im heutigen Syrien. Sie stammen aus dem ersten bis dritten Jahrhundert, einer Blütezeit der Stadt, die damals ein bedeutendes Handelszentrum an der östlichen Grenze des Imperium Romanum zum Partherreich war. Mit diesen rechteckigen oder quadratischen Reliefplatten aus Kalkstein wurden Grabnischen versiegelt, hinter denen die Toten bestattet waren. Diese Grabnischen befanden sich in unterirdischen und freistehenden Grabbauten. Die Platten zeigen häufig halbfigurige oder büstenartige Darstellungen der Verstorbenen, oft mit aramäischen Inschriften. Die Reliefs aus Palmyra zeigen in vielfacher Weise die Gesichter einer kosmopolitischen und wohlhabenden Gesellschaft der Antike.

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Grabplatte mit Darstellung einer Frau aus Palmyra. Zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Kalkstein. Antikenmuseum Basel, Schweiz.

Diese palmyrenische Grabverschlussplatte zeigt eine wohlhabende Frau aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert, die als Halbfigur frontal mit direktem Blick erscheint. Ihre Kleidung ist reich verziert und mit kunstvollen Mustern versehen, was ihren hohen sozialen Status betont. Besonders auffällig sind der aufwendig gestaltete Haarschmuck, mehrere Halsketten, Armreifen und Ringe, die ihren Wohlstand unterstreichen. Ein Schleier bedeckt teilweise ihr Haar, eine für palmyrenische Frauen typische Darstellung. Mit der rechten Hand hebt sie den Schleier an, ihre linke Hand hält möglicherweise einen persönlichen Gegenstand. Der Kunststil verbindet orientalische und römische Einflüsse. Solche Reliefs dienten nicht nur als Grabverschluss, sondern auch als Erinnerungsbilder, die den sozialen Status und die Identität der Verstorbenen bewahrten. Inschriften, falls vorhanden, gaben oft ihren Namen, ihre Familie oder ihren Beruf an.

Fast 4000 solcher Portraits aus palmyrenischen Gräbern sind erhalten geblieben. Seit dem 19. Jahrhundert wurden sie von Archäologen und Sammlern nach Europa und Nordamerika gebracht und befinden sich heute in zahlreichen Museen. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich die nachfolgenden Fotos gemacht. Sie stammen aus dem Frankfurter Liebieghaus, dem Kunsthistorischen Museum Wien, dem Antikenmuseum Basel, der Dresdner Skulpturensammlung bis 1800, den Vatikanischen Museen in Rom und dem Kunst- und Geschichtsmuseum Genf.

Im Kunst- und Geschichtsmuseum Genf werden die Steinportraits ähnlich wie zu antiken Zeiten präsentiert. Die Grabnischen waren seinerzeit auf verschiedenen Ebenen angeordnet und die Verschlussplatten mit den Portraits so individuell angefertigt, dass sie genau an eine bestimmte Stelle passten. So blickten in den Grabbauten des antiken Palmyras beispielsweise die Abbildungen der Verstorbenen in den oberen Reihen leicht nach unten. In Genf passt das nicht ganz.

Während des Bürgerkriegs in Syrien sind viele bildliche Darstellungen aus der Antike in archäologischen Stätten und Museen zerstört worden. Gleichzeitig hat es weltweit Bemühungen gegeben, das antike Erbe digital zu erhalten und zugänglich zu machen, wie mit der Online-Ausstellung Das Vermächtnis des antiken Palmyras des Getty Forschungsinstituts. An der Universität Aarhus wurden mit dem Palmyra Portrait Project über 3.700 der Palmyra Portraits digitalisiert. Aus keiner anderen Stadt des römischen Reiches – außer Rom selbst – sind mehr solcher steinernen Bildnisse erhalten.

Die drei größten Sammlungen von palmyrenischen Grabreliefs in Europa befinden sich im Archäologischen Museum Istanbul, der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen (sollen ab Februar 2026 wieder gezeigt werden) und im Louvre in Paris. Sobald ich dort war, folgt ein weiterer Blogbeitrag zum Thema mit – hoffentlich – schönen Fotos.

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Grabstele der Mane Mitte des zweiten Jahrhunderts. „Mane, Tochter des Nourbel. Ach!“ Kalkstein. Kunst- und Geschichtsmuseum Genf.

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