Die Pax Romana bescherte Perge eine Blütezeit. Ich spaziere durch die Ruinen dieses einst pulsierenden Zentrums und versuche mir das tägliche Leben zwischen den Straßen, Toren und Thermen vorzustellen.
Die Ruinen der antiken Stadt Perge sind von Antalya aus über die D400, am Flughafen vorbei, in 30 Minuten mit dem Auto zu erreichen. Bei der Ortschaft Aksu biegt man ab und erreicht kurz danach die am Ortsrand liegende archäologische Stätte.
Perge war in der Antike neben Side die bedeutendste Stadt Pamphyliens, einer Küstenregion in der heutigen Türkei zwischen den Städten Antalya und Alanya. In späthellenistischer Zeit begann die Verlagerung der Stadt von der stark befestigten Akropolis auf dem Tafelberg in die Ebene. Eine schnellere Anbindung an die Handels- und Verkehrswege, die Nähe zu den agrarischen Flächen und die einfachere Trinkwasserversorgung boten bessere Lebensbedingungen in der Ebene. Ihre Blütezeit erlebte Perge in der hellenistischen und vor allem der römischen Kaiserzeit, als sie zur Hauptstadt der Provinz Lycia et Pamphylia aufstieg und Sitz des Statthalters wurde. Mein Rundgang führt durch die Ruinen dieses einst pulsierenden Zentrums und ich versuche mir das tägliche Leben zwischen den Straßen, Toren und Thermen vorzustellen.

Der heutige Besucher betritt Perge, wie es auch in der Antike der Fall gewesen wäre, durch eine imposante Doppeltoranlage im Süden der Stadt. Das äußere Tor stammt aus der Zeit des Kaisers Septimius Severus und wurde von zwei hohen Türmen flankiert. Dahinter öffnet sich ein später angelegter Hof. In der Zeit der Pax Romana dienten die Tore weniger zur Verteidigung als vielmehr der Repräsentation.
Das eigentliche Herzstück des Eingangs ist das rund 80 Meter weiter innen liegende hellenistische Tor aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Seine beiden mächtigen, runden Türme sind bis heute das ikonische Wahrzeichen von Perge. Wer dieses Tor passierte, betrat einen hufeisenförmigen Ehrenhof, der im zweiten Jahrhundert von einer der bedeutendsten Bürgerinnen der Stadt, Plancia Magna, zu einem überwältigenden Empfangsraum umgestaltet wurde. Die Wände waren mit kostbarem Marmor verkleidet und in zwei Ebenen mit Nischen versehen. Unten standen Statuen griechischer Götter wie Hermes, Aphrodite und Pan, während oben die mythischen Stadtgründer Mopsos und Kalchas neben Mitgliedern der bedeutendsten Familie der Stadt, den Plancii, präsentiert wurden. Diese Inszenierung war eine meisterhafte Verknüpfung von lokaler Mythologie, familiärem Ruhm und der Loyalität gegenüber der römischen Ordnung. Den Ehrenhof verließ man weiter in Richtung Stadt durch das Hadrians-Tor, von dem noch Grundmauern zu sehen sind. Es ähnelte wohl dem noch weitgehend erhaltenen Hadrianstor in Antalya.






Durch diese Tore strömte das Leben. Händler lenkten ihre schwer beladenen Karren über das Pflaster, deren tiefe Radspuren noch heute im Stein sichtbar sind. Römische Beamte, Legionäre im Dienst des Stadthalters auf dem Weg zu ihren Quartieren, Bürger unterwegs zu den Thermen oder zur Agora, Pilger, die den berühmten Tempel der Artemis außerhalb der Stadt besuchen wollten, und sogar der Apostel Paulus auf seinen Missionsreisen im Jahr 46 passierten diesen Ort.
Hinter dem Tor-Komplex öffnet sich die große, von Süden nach Norden verlaufende Säulenstraße, in römischer Zeit der cardo maximus. Auf einer Länge von etwa 300 Metern bildete sie das Rückgrat des städtischen Lebens. Beidseitig wurde sie von Kolonnaden gesäumt, deren Säulen den Passanten Schatten spendeten. Die Böden der Portiken waren mit kunstvollen Mosaiken geschmückt, und dahinter reihten sich die Geschäfte der Händler aneinander.

Das außergewöhnlichste Merkmal dieser Straße ist jedoch der etwa zwei Meter breite, offene Wasserkanal, der sich genau in der Mitte über die gesamte Länge erstreckt. Gespeist von einem Nymphäum am Fuße der Akropolis, floss hier beständig frisches Wasser durch die Stadt. In einem Klima, in dem die Sommertemperaturen leicht über 30 Grad Celsius steigen, war dies mehr als nur Infrastruktur. Der Kanal war eine Demonstration von Luxus, Ingenieurskunst und der Fähigkeit, die Natur zum Wohle der Bürger zu beherrschen. Er kühlte die Umgebungsluft, band den Staub und schuf eine angenehme akustische Kulisse.
Auf dieser Straße pulsierte das Leben. Man kann sich das geschäftige Treiben vorstellen: Bürger, die im Schatten der Säulengänge flanieren und diskutieren, Händler, die ihre Waren anpreisen. Verkauft wurden lokale Agrarprodukte aus der fruchtbaren Ebene, aber auch importierte Güter wie Wein und Olivenöl aus Spanien und Nordafrika, die in Amphoren transportiert wurden, sowie feine Keramik, Textilien und andere Luxuswaren. Die Säulenstraße war die Hauptbühne des öffentlichen Lebens, ein Ort des Handels, der Kommunikation und des sozialen Prestiges.






Östlich des hellenistischen Tores schließt sich die Agora an, der zentrale Marktplatz der Stadt und Ort politischer Reden. Auf einer quadratischen Fläche von 76 mal 76 Metern, umgeben von Säulenhallen, befanden sich die Läden der Händler. In der Mitte des Platzes stand ein runder Tempel, der Tyche gewidmet war, der Göttin des Schicksals und des städtischen Glücks. Den berühmten Tempel der Artemis außerhalb der Stadt hat man bislang noch nicht finden können.
In unmittelbarer Nähe zur Agora und den Toren befanden sich große öffentliche Bäder, wie die gut erhaltene Südbad-Anlage. Römische Thermen waren weit mehr als reine Badeanstalten; sie waren multifunktionale Wellnesszentren, die für alle Schichten der Bevölkerung zugänglich waren. Hier traf man Freunde, führte Gespräche mit Geschäftspartnern, trieb Sport in der angrenzenden Palästra, besuchte eine der Bibliotheken oder entspannte einfach vom Alltag. Der typische Badevorgang führte durch eine Abfolge von Räumen mit unterschiedlichen Temperaturen: vom Umkleideraum über das Warmbad und das Heißbad bis zum abschließenden Kaltbad. Die räumliche Nähe von Agora und Thermen war Ergebnis einer integrierten Stadtplanung. Sie schuf ein ziviles Zentrum, in dem die wichtigsten Aspekte des öffentlichen Lebens – Wirtschaft, Politik und Freizeit – eng miteinander verknüpft waren.





Geht man auf der Hauptstraße weiter, trifft sie nach einiger Zeit auf die westliche Kolonnadenstraße, den decumanus maximus. Unweit der Kreuzung dieser beiden wichtigen Straßen stand ein weiterer zentraler Komplex des öffentlichen Lebens: das Gymnasium mit seiner angeschlossenen Palästra. In der Mitte des ersten Jahrhunderts errichtet, war dieser Ort dem Ideal eines gesunden Geistes in einem gesunden Körper gewidmet.
Man kann sich die jungen Männer der Oberschicht vorstellen, wie sie, oft in Begleitung eines Sklaven, der ihre Ausrüstung trug, über die Kolonnadenstraße schritten, um sich auf dem großen, von Säulenhallen umgebenen Hof, im Ringkampf, Boxen und anderen athletischen Disziplinen zu üben. Das Gymnasium war aber nicht nur ein Ort körperlicher Ertüchtigung; es war auch ein soziales und intellektuelles Zentrum, in dem philosophiert und rhetorische Vorträge gehalten wurden. Es war die Bühne, auf der die zukünftige männliche Elite der Stadt für ihre Rollen in Militär und Verwaltung vorbereitet wurde.

Für Unterhaltung im großen Stil sorgten zwei monumentale Bauten, die etwas außerhalb des Stadtkerns liegen. Das Stadion von Perge ist eines der am besten erhaltenen in der Türkei und bot Platz für etwa 12.000 Zuschauer. Seine beeindruckenden Gewölbekonstruktionen stützten nicht nur die Sitzreihen, sondern beherbergten auch nach außen geöffnete Läden. Hier fanden athletische Wettkämpfe statt, aber auch die bei den Römern so beliebten, blutigen Gladiatoren- und Tierkämpfe. Man muss sich die Atmosphäre vorstellen: der ohrenbetäubende Lärm der Menge, die den Ausgang eines Kampfes mit Rufen und Gesten beeinflusste, der Geruch von Staub, Schweiß und Blut, die elektrisierende Spannung, die über der Arena lag.

Das nahegelegene Theater war mit einer Kapazität von bis zu 15.000 Plätzen sogar noch größer. Seine reich verzierte, mehrstöckige Bühnenwand war mit mythologischen Reliefs geschmückt, die unter anderem Szenen aus dem Leben des Weingottes Dionysos zeigten. Hier wurden klassische Dramen aufgeführt, aber auch öffentliche Versammlungen abgehalten. In späterer Zeit diente auch das Theater als Arena für die immer populärer werdenden Gladiatorenspiele. Leider war es zur Zeit meines Besuches geschlossen. Nicht weit von Perge entfernt liegt jedoch das gut erhaltene Theater von Aspendos, das einen Besuch wert ist.
Für die alltägliche Erfrischung dienten die zahlreichen Nymphäen, monumentale öffentliche Brunnenanlagen. Ob das große Hadrian-Nymphäum am Ende der Säulenstraße, das den Wasserkanal speiste, das Caracalla-Nymphäum an der westlichen Säulenstraße nahe der nördlichen Thermen oder das Septimius Severus-Nymphäum bei den Südthermen – diese Bauten waren Heiligtümer der Wassernymphen, lebenswichtige Wasserquellen und architektonische Prunkstücke zugleich. Sie waren mit Statuen geschmückt und boten den Bürgern einen Ort, um Wasser zu schöpfen, sich zu unterhalten und die Schönheit ihrer Stadt zu genießen.




Ein Rundgang durch Perge offenbart den Einblick in eine antike römische Provinzstadt, die weit mehr war als nur eine Ansammlung von Steinen. Die Ruinen erzählen von einem urbanen Leben, einem ausgeklügelten System der Wasserversorgung, von blühendem Handel, einem reichen sozialen und kulturellen Leben und nicht zuletzt von dem wohltätigen Engagement der Oberschicht, wie es auch aus anderen Städten des Imperium Romanum nachweisbar ist.
Ein Besuch im Archäologischen Museum von Antalya ist die ideale Ergänzung zum Rundgang durch die Ruinen von Perge. Dort sind die großartigen Skulpturen ausgestellt, die einst die Straßen, Plätze und Gebäude von Perge schmückten und die heute zu den reichsten Sammlungen römischer Bildhauerkunst weltweit gehören.
Webseite der Archäologischen Stätte von Perge und auf Google Maps.
Danke fürs Lesen. Möge Fortuna stets mit Dir sein. Hier kannst Du