Die wohlhabende Oberschicht spendete für neue Straßen und Spiele im Theater, stiftete Tempel und öffentliche Bäder. Wie in kaum einer anderen Stadt, überliefern im römischen Thugga Inschriften die Namen der Wohltäter und geben Hinweise auf ihre Beweggründe.
Thugga wurde im Jahr 46 vor Christus zu einer römischen Kleinstadt am Rande des Imperium Romanum. Römische Veteranen aus Cäsars Legionen wurden angesiedelt, heirateten einheimische Frauen, bekamen Kinder. Römische, numidische und punische Bevölkerungsteile koexistierten und vermischten sich. Zu Beginn der Romanisierung wies Thugga eine Doppelverfassung auf. Während die ursprünglichen Einwohner in einer civitas zusammengeschlossen waren, bildeten die zugezogenen römischen Bürger eine eigene Verwaltungseinheit. Unter Kaiser Septimius Severus wurde die Stadt schließlich zur Colonia mit dem Namen Colonia Licinia Septimia Aurelia Alexandriana Thuggensis erhoben, was auch den ursprünglichen Einwohnern Thuggas das römische Bürgerrecht und allen zusammen besondere Privilegien einbrachte.
Die Stadt profitierte von ihrer strategischen Lage an einer wichtigen Handelsroute und erlebte vom ersten bis dritten Jahrhundert ihre Blütezeit. Thugga wuchs durch den Bau zahlreicher öffentlicher Gebäude, Tempel und Bäder, die das Leben und die Kultur der Römer widerspiegelten. Die Landwirtschaft, insbesondere der Anbau von Getreide und Oliven, trug zur wirtschaftlichen Stärke der Stadt bei.
Heute ist das römische Thugga bekannt für seine gut erhaltenen römischen Bauwerke. Bei vielen sind aufgrund von Inschriften die Namen der Stifterinnen und Stifter bekannt. Die wohlhabende Oberschicht spendete für neue Straßen und Spiele im Theater, stiftete Tempel und öffentliche Bäder. Sie bediente damit eine gewisse Erwartungshaltung der Bevölkerung und suchte den eigenen Vorteil bei sozialem Status und Einfluss (Euergetismus). Wer nicht so viel Geld hatte, versuchte mancherorts Mitglied der freiwilligen Feuerwehr zu werden, um dadurch Steuern zu sparen.
Das gut erhaltene römische Theater in Thugga wurde im zweiten Jahrhundert erbaut und bot Platz für rund 3.500 Zuschauer. Es ist eines der besterhaltenen antiken Bühnentheater in Nordafrika. Verschiedene, fast identische Inschriften geben Auskunft über den Stifter, seine Taten und Beweggründe:
Publius Marcius Quadratus, Sohn des Quintus, aus dem Stimmbezirk Arniensis, Flamen des vergöttlichten Augustus, Priester der julischen Kolonie Karthago, in die 5 Richterkurien von Kaiser Antoninus Pius gewählt, hat aus Anlaß der Ehre seines Flaminats auf Lebenszeit seiner Vaterstadt das Theater mit Basiliken und einer Säulenhalle und Gartenanlagen und einer Bühne mit Vorhängen und allen Verzierungen alleine ausführen lassen und mit seinem Geld bezahlt und außerdem Bühnenaufführungen veranstaltet und Geschenke und ein Festmahl und ein Sportfest gegeben.
Auch die Priesterin Asicia Victoria machte sich um ihre Stadt verdient. Als ihre Tochter ebenfalls Priesterin wurde, stiftete sie die nicht unbedeutende Summe von 100.000 Sesterzen, was ihr die Stadt mit einer Ehreninschrift dankte. “Die Bürger von Thugga haben der Priesterin Asicia Victoria für ihre Großzügigkeit und ihre einmalige Freigiebigkeit gegen den Staat, die anläßlich des Flaminats ihrer Tochter Vibia Asiciane 100.000 Sesterzen versprach, aus deren Zinsen Theateraufführungen und Spenden für die Ratsherrn gegeben werden sollen, auf Beschluß der Ratsherren und beider Klassen (diese Ehreninschrift) gesetzt.” Die genaue Fundstelle der Inschrift ist unbekannt, ihre ursprüngliche Aufstellung im Theater möglich. Nimmt man die Kaufkraft als Basis, was 100.000 Sesterzen heute wert sind, käme man grob geschätzt auf etwa 2,5 bis 3 Millionen Euro.
Der wichtigste Tempel in Thugga wurde zur gleichen Zeit wie das Theater unter der Herrschaft der Kaiser Marcus Aurelius und Lucius Verus erbaut. Der Kapitolstempel stand auf einem herausragenden Podium und überragte den monumentalen Forumskomplex. Er war den wichtigsten römischen Göttern Jupiter, Juno und Minerva gewidmet, deren Statuen in den drei Nischen der unteren Wand aufgestellt waren. Das auf dem Giebel eingemeißelte Adlerrelief symbolisiert die Vergöttlichung des vorherigen Kaisers Antoninus Pius nach dessen Tod. Der Tempel wurde der Stadt von Lucius Marcius Simplex und dessen Sohn Lucius Marcius Simplex Regillianus, gestiftet. Es handelt sich um Mitglieder der Familie, die auch für den Bau des Theaters gesorgt hat.
Eine Weiheinschrift für die Stifter des Kapitolstempels aus der Familie des Marcius Simplex ist erhalten. Sie befindet sich auf dem Türsturz des Eingangs zur Cella, dem Inneren des Tempels hinter der Säulenfront. Die Cella vermittelt noch heute, obwohl schmucklos und ohne Statuen, einen Eindruck der Größe und Erhabenheit antiker Tempel. Ein nach der Antike rundlich gehauener Inschriftenstein am Kapitol gehörte ehemals zu einem Sockel, auf dem eine Statue des römischen Kaisers Marcus Aurelius oder seines Mitregenten Lucius Verus stand.
Damals wird man auf die Straßen und Gebäude der antiken Stadt geschaut haben, wenn man aus dem Tempel kam. Heute haben Besucher einen freien Blick aus dem Kultraumes des Tempels an den Säulen vorbei auf das fruchtbare Tal der Khalled-Ebene.
In der Nähe des Kapitolstempels lag der Merkurtempel. Eine eingravierte Widmung verrät, dass das Bauwerk von Quintus Pacuvius Felix Victorianus während der Regierungszeit Kaiser Commodus gestiftet wurde. Die Wände und der Boden waren reich mit Marmor verziert. In den Nischen der Räume standen Kultstatuen, darunter die des Merkur Silvius.
Da der Sohn als Soldat im Kampf gefallen war, wurden sein Wille und die Stiftung von seinen Eltern Quintus Pacuvius Saturus und Nahania Victoria umgesetzt. Der Tempel wurde baulich erweitert und das Stiftungsvermögen durch seine Eltern von 50.000 auf 70.000 Sesterzen erhöht. Außerdem spendete Pacuvius Saturus der Stadt Thugga 25.000 Sesterzen für jährliche Geldverteilungen. Obwohl der Tempel ursprünglich vom Sohn des Ehepaars initiiert wurde, stehen die Eltern bei den ehrenden Inschriften im Vordergrund. Sie werden zuerst genannt und darüber hinaus wurden ihre weiteren Verdienste ausführlich honoriert.
Die Gabinii waren eine sehr reiche Familie aus Thugga. Sie bekleideten oft das Amt eines kaiserlichen Flamen (Priesters) und förderten den Bau mehrerer Monumente wie den Triumphbogen für Kaiser Alexander Severus. Ebenso sorgten sie für den Bau des Tempels der Juno Caelestis, einer romanisierten Form der punischen Göttin Tanit. Der große Tempel und die aufwendig dekorierten Nebengebäude wurden laut einer Inschrift von Q. Gabinius Rufus Felix finanziert und in den Jahren zwischen 222 und 235 errichtet. Rufus stiftete auch noch zwei silberne Statuen der Göttin im Wert von 35.000 Sesterzen.
Für weitere Tempel sorgten Julia Paula Laenatiana und Lucius Octavius Victor Roscianus. Die Priesterin des Kaiserkults Julia Paula Laenatiana schenkte der Stadt während der Regierungszeit von Antoninus Pius einen Tempel für Minerva, der auf einem mit einem Säulengang umgebenen Platz stand. Lucius Octavius Victor Roscianus hinterließ per Testament genügend Mittel, um den Saturn-Tempel in Thugga bauen zu lassen. Die Baukosten beliefen sich auf mindestens 150.000 Sesterzen, was wohl den umfangreichen Erdarbeiten geschuldet ist, die erforderlich waren, um dem Tempel ein solides Fundament zu geben.
Der Tempel der Siege Kaiser Caracallas in Thugga wurde laut einer Inschrift von einer Frau namens Gabinia Hermiona gestiftet und nach ihrem Tod zu einem Preis von 100.000 Sesterzen errichtet. Ihr Testament sah außerdem die Abhaltung eines jährlichen Banketts für die städtische Elite vor, dass von ihren Erben am Jahrestag der Weihe des Tempels organisiert werden sollte. Gleichzeitig vermachte Gabinia Hermiona aus ihrem Grundbesitz Land für die Wagenrennbahn der Stadt. Das jährliche Bankett sollte die Erinnerung an die Großzügigkeit ihrer Familie in den gehobenen Kreisen wachhalten und die Geselligkeit betonen, während der Circus und die dortigen Veranstaltungen für das Vergnügen der einfachen Leute in der Stadt gedacht war.
Das römische Thugga besaß noch ein weiteres bedeutendes Monument. Das Mausoleum von Ateban aus der vorrömischen Zeit. Der Grabbau aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus wurde von den numidischen und punischen Einwohnern zum Gedenken an eine bedeutende Persönlichkeit errichtet. Man vermutet, dass es für Massinissa, den König von Numidien, erbaut wurde. Einzigartig macht es eine zweisprachige Inschrift in punischer und numidischer Schrift. Sie wird heute im Britischen Museum in London aufbewahrt. Der heutige Zustand des Denkmals ist das Ergebnis einer Rekonstruktion der in der Umgebung verstreuten Stücke, die zwischen 1908 und 1910 durchgeführt wurde.
In der Nähe des Grabbaus befinden sich öffentliche Latrinen und die Bäder des Zyklopen. Der Name stammt von einem Mosaik mit entsprechender Darstellung, das heute im Bardo-Museum in Tunis aufbewahrt wird. Das Bad ist nicht besonders groß und wurde vielleicht nur für die Bewohner des umliegenden Viertels gebaut. Insgesamt sind bisher in Thugga vier Thermen ausgegraben bzw. identifiziert wurden.
Die Latrinen waren ein öffentlicher Ort, an dem Menschen gemeinsam ihre Notdurft verrichteten. Anders als in der modernen Vorstellung von Privatsphäre waren die römischen Latrinen Orte des sozialen Austauschs. Es gab keine Trennwände zwischen den Sitzplätzen, und es war üblich, während der Benutzung Gespräche zu führen. Ab- und Frischwasserkanäle gewährleistete Hygiene. Sowohl die Latrinen als auch die Thermen waren wichtige Orte im städtischen Leben und wurden wohl ebenfalls von wohlhabenden Bürgern Thuggas gestiftet. Entsprechende Inschriften wurden jedoch nicht gefunden, anders als bei den Thermen des Licinius, der größten Badeanlage der Stadt.
Neben den öffentlichen Gebäuden sind auch Überreste von Wohnhäuser vorhanden. Die nach einem kleeblattförmigen Raum sogenannte Trifolium-Villa ist das größte bisher in Thugga ausgegrabene Privathaus. Es stammt aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert und hatte zwei Stockwerke. Von dem oberen Stockwerk ist jedoch fast nichts mehr übrig. Die Villa steht im Süden der Stadt, auf halber Höhe des Hügels. Das Haus ist besonders interessant, weil es sich an die Geländeform anpasst. Die Eingangshalle neigte sich zu einem Innenhof hinab, um den die verschiedenen Räume angeordnet waren. Die Villa gehörte vermutlich einer wohlhabenden römischen Familie, deren Identität jedoch nicht bekannt ist.
Im fünften Jahrhundert ging die Besiedelung von Thugga mit dem Niedergang des Römischen Reiches und der Eroberung Nordafrikas durch die germanischen Vandalen allmählich zurück. Zweihundert Jahre später wurde Thugga während der islamischen Expansion weitgehend verlassen. Nur eine kleine Berbergemeinschaft blieb bis in die Neuzeit in der Umgebung, doch die Stadt selbst wurde aufgegeben.
Die archäologische Stätte Thugga auf der Webseite der Agentur für die Entwicklung des Kulturerbes und der Kulturförderung Tunesiens und auf Google-Maps.
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