Vor hundert Jahren wurde Nofretete erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Seither hat die Büste der ägyptischen Pharaonin eine steile Karriere gemacht. Als sie herrschte, waren die Hügel auf denen später Rom gegründet wurde noch menschenleer.
Am 1. April 1924 wurde die Büste der Nofretete mit der Tell el-Amarna-Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit in einem neu geschaffenen Bereich des heutigen Neuen Museums in Berlin präsentiert. Den Zweiten Weltkrieg überdauerte die Büste in einem Banktresor und in einem Bergstollen. Nach Kriegsende brachten die Alliierten die Nofretete Büste nach Wiesbaden. Erst 1956 erfolgte der Rücktransport nach West-Berlin, wo sie im Museumszentrum Dahlem eine Bleibe fand. Seit 2005 wird die Büste wieder auf der Museumsinsel ausgestellt. Zuerst im Alten Museum und nach der 2009 abgeschlossenen Sanierung des Neuen Museums wieder dort, wo die Wahlberlinerin im Jahr 1924 ihre zweite Heimat fand.
Entdeckt wurde die Büste aus dem vierzehnten vorchristlichen Jahrhundert am 6. Dezember 1912 von dem deutschen Archäologen Ludwig Borchardt in Ägypten. Sie lag nahezu unversehrt in einem ausgegrabenen Gebäudekomplex in Tell el-Amarna, der antiken Hauptstadt des Pharaos Echnaton. Die Gebäude hat man als Werkstätten erkannt und später dem Bildhauer Thutmosis zugeordnet. Nofretete war die Hauptfrau des Pharaos und hat nach dessen Tod vielleicht auch eine Zeitlang selbst geherrscht. Viel weiß man nicht über sie. Einig ist sich die Fachwelt, dass der Name Nofretete soviel wie Die Schöne ist gekommen bedeutet.

Superstar der Tell el-Amarna-Ausstellung und Werbeträgerin mit hohem Erkennungswert war die Büste der Nofretete. Bereits Ludwig Borchardt war von der Schönheit der über 3000 Jahre alten Nofretete-Büste begeistert und notierte in sein Tagebuch: Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen.
Nofretete entspricht den Schönheitsvorstellungen der damaligen Zeit, wird von Berlin aus in Westeuropa und den USA zu einer Ikone und einem globalen Paradebeispiel für weibliche Schönheit. Aber auch zu einer Projektionsfläche und einem Symbol unterschiedlichster Interessen. Der ägyptische Nationalismus hob sie ebenso für sich auf den Schild wie die afrikanische Emanzipationsbewegung. Inzwischen ist sie auch ein Kristallisationspunkt des Selbstbewusstseins für Schwarze, schreibt Sebastian Conrad in seinem Buch Die Königin. Nofretetes globale Karriere. Popstars wie Beyoncé und Rihanna traten mit dem ikonischen Nofretete-Kopfschmuck auf oder posierten für Modemagazine. Eine Nummer kleiner geht es auch: in Berlin druckten Bündnis 90 / Die Grünen Nofretete mit grünen Lippen auf ihr Wahlplakat und wollen starke Frauen im Berliner Abgeordnetenhaus sehen. Die Künstlerin Isa Genzken fertigte Gipsabgüsse der Pharaonin an und setzte ihr Sonnenbrillen auf, in deren Gläsern sich der Betrachter spiegelt.



Die Büste der Nofretete im Nordkuppelsaal des Neuen Museums in Berlin. Bilder: Christophe Gateau / dpa.


Dass die Büste der Nofretete überhaupt nach Berlin kam, ist einem Mann zu verdanken, der lange in Vergessenheit geraten war: dem Unternehmer und wohl größten und großzügigsten Stifter, den Berlin je hatte, James Simon. Seit einigen Jahren trägt das Besucherzentrum der Berliner Museumsinsel seinen Namen.
James Simon finanzierte die Ausgrabungen in Tell el-Amarna und die Funde wurden sein Eigentum. Im Jahr 1920 vermachte er die Büste der Nofretete zusammen mit zahlreichen anderen Kunstwerken den Berliner Museen. Wurde die Büste aber wirklich sein Eigentum und durfte James Simon sie daher verschenken?

Ägypten bestreitet das, Deutschland bejaht es. Knackpunkt der Geschichte ist, dass die vertragliche und übliche Fundteilung die Nofretete Büste mit der einen Hälfte der Grabungsfunde den Deutschen zuschrieb und die andere Hälfte der Artefakte den Ägyptern. Das Übereinkommen wurde von dem damals zuständigen Inspektor des Antikendienstes für Mittelägypten unterzeichnet. Zum Zeitpunkt von Borchardts Grabungen stand Ägypten unter britischer Besatzung und der damalige ägyptische Antikendienst unter französischer Obhut. Koloniales Unrecht oder fairer Deal?
Vermutlich bleibt das gerade mal 49 Zentimeter hohe und bemalte Stück Kalkstein der Nofretete auch in Zukunft Projektionsfläche unterschiedlichster Interessen. Und in Berlin.
Mehr über Nofretete auf den Webseiten der Staatlichen Museen zu Berlin.