Die Begeisterung für die wiederentdeckte Antike im achtzehnten Jahrhundert spiegelt sich auch in der Architektur vieler europäischer Städte wider. Im Neoklassizismus in Paris erinnern öffentliche Bauten an Tempel und Triumphbögen, bevölkern Skulpturen nach antiken Vorbildern Dächer, Parks und Straßen.
Klassizismus und Neoklassizismus in Paris folgten in der Architekturgeschichte auf den verspielten und reich verzierten Stil des Barock und Rokoko. Klassizistische Gebäude waren ein Rückgriff auf die Antike, die Betonung von Symmetrie, klaren Linien und strengen geometrischen Formen und die konsequente Verwendung der klassischen dorischen, ionischen oder korinthischen Säulenordnungen. Im Vergleich zum Rokoko ist die Ornamentik sparsam und thematisch oft an klassischen Motiven orientiert, oft aber zeichnen sich die Gebäude aber durch große, mitunter überwältigende Dimensionen aus, die Macht und Bedeutung vermitteln sollten.
Der Aufstieg des Neoklassizismus ist eng mit der Aufklärung verbunden. Die Wiederentdeckung von Pompeji und Herculaneum Mitte des achtzehnten Jahrhunderts entfachte eine neue Begeisterung für die Antike. Intellektuelle und Künstler sahen in der römischen Republik und der griechischen Demokratie Vorbilder für Vernunft, Tugend und Bürgerstolz. Während der Französischen Revolution und vor allem unter Napoleon Bonaparte wurde der Stil zum offiziellen Ausdruck staatlicher Macht. Der französische Kaiser nutzte die Assoziationen mit dem Römischen Reich gezielt, um seine eigene kaiserliche Herrschaft zu legitimieren. Bauten wie der Arc de Triomphe und die Madeleine sollten Paris als das neue Rom inszenieren. Frühe neoklassizistische Bauten wie das Panthéon entstanden bereits unter den Königen Ludwig XV. und seinem Nachfolger.
Das Panthéon war ursprünglich als Kirche geplant und wurde nach der Französischen Revolution zu einer nationalen Ruhmeshalle. Der monumentale Portikus mit seinen korinthischen Säulen und dem dreieckigen Giebel ist direkt von antiken römischen Tempeln inspiriert. Unter dem Giebelfries ist die Inschrift Aux grands hommes, la patrie reconnaissante (Den großen Männern, das dankbare Vaterland).




Direkt gegenüber dem Panthéon steht das Rathaus des fünften Bezirks von Paris. Das Gebäude verfügt über einen zentralen Portikus mit ionischen Säulen, einen Balkon und einen Giebel mit einer Uhr. Auf der anderen Seite des Platzes steht ein historisches Gebäude der Sorbonne-Universität. Charakteristisch sind die mächtigen Säulen, der strenge Giebel und der symmetrische Aufbau. Über dem Eingang prangt der Wahlspruch der Französischen Republik: Liberté, Égalité, Fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit).
Ein schönes architektonisches Ensemble des Neoklassizismus in Paris ist auch der Palast der Ehrenlegion. Das Gebäude ist ein elegantes Beispiel für einen früheren, zurückhaltenderen Neoklassizismus. Ionische Kolonnaden zieren die Säulengänge, dem Eingang stehen korinthische Säulen vor. Das Gitter zeigt ein Adlerdetail – ein Symbol des Napoleonischen Kaiserreichs. Das Eingangsportal ist als klassizistischer Triumphbogen gestaltet und wird von zwei geflügelten, weiblichen Figuren (Allegorien des Sieges) geschmückt.






Im Zentrum des Place du Palais Bourbon thront eine Statue des Gesetzes (La Loi). Im Hintergrund ist die Südfassade des Palais Bourbon zu erkennen, des Sitzes der französischen Nationalversammlung. Links auf dem Foto ist ein Säulengang im Kunstmuseum Louvre zu sehen, rechts auf dem Foto die monumentalen, geriffelten korinthischen Säulen des Eingangsportikus der ehemaligen Pariser Warenbörse und heutigen Sitzes des Museums für Zeitgenössische Kunst.
Wie ein römischer Triumphbogen kommt der Arc de Triomphe de l’Étoile am Ende der Champs-Élysées am Place Charles de Gaulle-Étoile daher. Er wurde von Napoleon I. in Auftrag gegeben und erinnert an die militärischen Siege Frankreichs in den Revolutionsjahren und unter Napoleons Herrschaft. Zwölf Avenuen gehen sternförmig von dem Pariser Wahrzeichen ab. Heute liegt der Arc de Triomphe zwischen zwei weiteren Triumphbögen, dem Arc de Triomphe du Carrousel nahe dem Louvre und dem Grande Arche im Hochhausviertel la Défense. Ich werde dazu noch einen eigenen Beitrag schreiben.
Am anderen Ende der Champs-Élysées liegt der Place de la Concorde. In südlicher Richtung über die Seine hinweg schaut man auf die Nordfassade des Palais Bourbon, den Sitz der französischen Nationalversammlung. Die tempelartige Front mit den zwölf korinthischen Säulen wurde im frühen neunzehnten Jahrhundert hinzugefügt, um ein architektonisches Gegengewicht zur Madeleine-Kirche auf der anderen des Place de la Concorde zu schaffen. Im Zentrum des Platzes ragt der antike Obelisk von Luxor auf. Dieser über 3.000 Jahre alte Monolith aus Rosengranit, der mit Hieroglyphen bedeckt ist, war im neunzehnten Jahrhundert ein Geschenk Ägyptens an Frankreich.





Den Platz begrenzen zwei spiegelbildlich angeordnete neoklassizistische Gebäude. Es sind das Hôtel de la Marine und das Hôtel de Crillon. Ihre eleganten Fassaden mit den Kolonnaden sind ein Paradebeispiel für die französische Architektur des achtzehnten Jahrhunderts und rahmen den Blick in Richtung der Rue Royale ein. Folgt man der Straße, blickt man auf die Pfarrkirche La Madeleine, die äußerlich vollständig wie ein griechisch-römischer Tempel gestaltet ist. Umgeben von 52 korinthischen Säulen, fehlt ihr jedes traditionelle äußere Merkmal einer Kirche wie ein Kreuz oder ein Glockenturm. Napoleon wollte sie ursprünglich als Ruhmestempel für seine Armee errichten. Nach dem Russlandfeldzug 1812 rückte er von seinem Vorhaben ab.
Am Place de la Concorde beginnen die Tuileriengärten, an deren Ende der Arc de Triomphe du Carrousel vor dem Hof des Louvre steht. Er wurde von Napoleon I. in Auftrag gegeben und steht in einer Linie zwischen dem Louvre und dem Obelisken auf dem Place de la Concorde. Er ist, wie das Eingangsportal des Berliner Stadtschlosses, dem römischen Septimius-Severus-Bogen nachempfunden und kleiner als sein berühmtes Gegenstück am Ende der Champs-Élysées. Gekrönt wird der Bogen von einer Quadriga.
In den Tuileriengärten stehen Marmorstatuen aus verschiedenen Epochen. Eine zeigt den karthagischen Feldherrn Hannibal. Er stützt sich auf eine römische Standarte, deren Adler in den Staub gedrückt wird. Die andere Hand liegt auf einem Gefäß mit den Ringen toter römischen Adliger nach der Schlacht von Cannae. Ihm gegenüber, auf einem Sockel, der römische Feldherr und Politiker Julius Cäsar, der einst ganz Gallien eroberte.




Skulpturen zeigen sich auch auf vielen Dächern von Gebäuden, wie die bronzene Quadriga auf dem Grand Palais. Ein bronzene Reiterstatue nach antikem Vorbild befindet sich auf der Seine-Insel. Es handelt sich um die Reiterstatue von König Heinrich IV., die der Reiterstatue des Mark Aurel auf dem Kapitolinischen Hügel in Rom nachempfunden ist.
Der Neoklassizismus in Paris hat noch weitere schöne Beispiele zu bieten, vielleicht ein Anlass für eine weitere Reise nach Paris.
Danke fürs Lesen. Möge Fortuna stets mit Dir sein.