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Antike Elemente im Berliner Schloss

Triumphbogen und Forum, Säulen und Statuen: im wiederaufgebauten Berliner Schloss finden sich zahlreiche Elemente mit einem Bezug zur Antike wieder.

“Der architektonische Idealtyp der Theater- Piazza ist in den Traktaten der Renaissance beschrieben: Ihre Hauptmerkmale sind die Kolonnaden, die Loggien und der Triumphbogen, beziehungsweise das prächtige Portal in Funktion des Stadttors, durch das die Straße auf die Piazza mündet. Dass die Architektur der Piazza zu dieser Zeit mit der des Theaters übereinstimmte, war Folge eines grundsätzlichen Wandels: Nach der Römerzeit hatte man den Theaterbau aufgegeben, sodass die Piazza – neben den Innenräumen von Palästen und Kirchen – zum öffentlichen Ort theatralischer, zeremonieller und feierlicher Aufführungen wurde”, schrieb Schloss-Architekt Franco Stella in einem Beitrag.

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Der römische Septimius-Severus-Bogen auf dem Forum Romanum stand Pate für die Gestaltung des Haupteinganges des Berliner Schlosses.

Das rekonstruierte barocke Portal bildet den Haupteingang zum Humboldt Forum im Berliner Stadtschloss. Im überdachten Foyer, das auch als Veranstaltungshalle dient, spiegelt sich die von Stella beschriebene Architektur der Theater-Piazza wider. Das Triumphbogenportal steht dabei für die Bühnenfront, die umlaufenden Galerien für die Zuschauerlogen.

Das erste nach den antiken Vorgängern wieder erbaute Theater steht in Stellas Heimatstadt Vicenza in Italien. Das 1580 von Andrea Palladio konzipierte Teatro Olimpico. Dessen Bühne ist als eine Piazza gedacht, auf die die Straßen einer Idealstadt münden. Man erkennt sie durch die offenen Portale einer Bühnenfront in Form eines antiken Triumphbogens.

Der Bezug zur römische Antike hat nicht erst Franco Stella beim Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses neu eingebracht. Als Nachfolger von Andreas Schlüter nahm sich Johann Friedrich Eosander während der Schlosserweiterung im 18. Jahrhundert den römischen Septimius-Severus-Bogen auf dem Forum Romanum zum Vorbild für den Haupteingang des Schlosses. Ein großer Rundbogen in der Mitte bildet den Hauptdurchgang, flankiert von zwei kleineren Durchgängen. Am Triumphbogen präsentieren zwei geflügelte Frauengestalten ein Spruchband zum Ruhm des preußischen Königs Friedrich I. Aus seiner Zeit stammt nur der dunkle Teil der linken Figur. Damals blickten die Genien auf den Großen Schlosshof. Sein weites Areal ist auf dem Gemälde Eduard Gaertners zu erkennen.

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Der heutige Haupteingang zum Berliner Schloss und im 18. Jahrhundert auf dem Gemälde Eduard Gaertners.

Innerhalb des neuen Berliner Schlosses befinden sich drei Höfe, alle von Stella als Theater-Piazze konzipiert: Foyer, Passage und Schlüterhof. Passage und Schlüterhof sind offene Stadträume, die Schloss-Architekt Franco Stella nach Vorbildern der italienischen Renaissance schuf, welche die Ideale der antiken Plätze, der griechischen Agora beziehungsweise des römischen Forums, aufgriffen. 

Im Schlüterhof stehen auf zwei Seitenportalen die Rekonstruktionen von je vier weibliche Skulpturen. Die Originale stammen aus dem 18. Jahrhundert. Die Statuen auf dem Portal V Richtung Museumsinsel stellen Justitia und Flora sowie die Heilige Susanna und Victoria da. Ganz sicher ist das nicht, denn über die Statuen auf dem gegenüberliegenden Portal I Richtung Nikolaiviertel herrscht gänzlich Unklarheit. Die Berliner Flora immerhin sieht der Flora aus der Sammlung Farnese aus Neapel doch ziemlich ähnlich.

Wie das gesamte Gebäude des Berliner Schlosses spiegelte auch sein Skulpturenprogramm thematisch und stilistisch den Wandel verschiedener Epochen wider. Die rekonstruierten Statuen auf dem Portal VI sind Götter und Helden der griechisch-römischen Mythologie. Aus dem Olymp die Götter Apollo, Jupiter, Herkules und Merkur. Dazu Antinoos und Meleager sowie Pax, die Friedensgöttin und Borussia, die Schutzpatronin Preußens. Andreas Schlüter ließ sich von Berninis Mathilde von Tuszien inspirieren und schuf sie fast identisch nach, änderte aber ihre Attribute. So wurde Mathildes Pilgerstab zum preußischen Zepter und die Tiara des Papstes zur Preußenkrone. Die neuen Schlossskulpturen sollten dem Anspruch des Kurfürsten, König zu werden, sichtbaren Ausdruck verleihen und bilden einen Kanon idealer Herrschertugenden ab.

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Das Portal VI im Ostflügel des Humboldt Forum. Hier befindet sich der Skulpturensaal und ein Durchgang vom Schlüterhof zur sogenannten Spreeterrasse und der im rationalistischen Stil gestalteten Rückseite des Berliner Schlosses.

Acht erhaltenen Kolossalstatuen aus der Werkstatt des Architekten und Bildhauers Andreas Schlüter gehörten zu den wenigen Teilen, die vor der Sprengung der Schlossruine im Jahr 1950 geborgen wurden. Sie sind im Skulpturensaal des Humboldt Forums ausgestellt. In dem schmalen und hohem Raum befand sich einst das große Treppenhaus des Berliner Schlosses, das über dreieinhalb Stockwerke nach oben führte.

Alte Ansichten des Schlosses, Fotografien und die vor der Zerstörung bewahrten Fragmente bildeten die Vorlagen für die rekonstruierten Statuen an den historisch anmutenden Fassaden des Humboldt Forums. Nach ihnen modellierter die Bildhauer der dafür 2011 gegründete Restaurierungswerkstatt Schlossbauhütte in Berlin-Spandau die Stücke zunächst in Ton und formten sie dann mit Silikon ab. Mithilfe dieser Formen wurden die Figuren in Gips gegossen und dann anhand der Gipsmodelle in Sandstein gehauen und gefräst. Drei der Gipsmodelle sind ebenfalls im Skulpturensaal ausgestellt.

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Die sogenannte Passage: eine schmale Piazza als Kolonnadenweg zwischen Foyer und Schlüterhof mit Durchgängen zur Museumsinsel und zum Nikolaiviertel.

Ein schmaler öffentlicher Raum ist durch Stellas Planung mit der sogenannten Passage entstanden. Sie verbindet in Form eines Kolonnadenwegs den Lustgarten mit Altem Museum und Berliner Dom auf der einen Seite mit dem Schloßplatz und dem ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR, jetzt Sitz der European School of Management and Technology, und der Hochschule für Musik auf der anderen Seite. 

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Ostfassade des Humboldt Forums im Berliner Schloss

Den Abschluss des Berliner Schlosses bildet die im strengen rationalistischen Stil gestaltete Ostfassade. Sie reicht, anders als der ursprüngliche Schlossbau, nicht bis zur Spree, sondern schafft einen weiteren öffentlichen Raum. Dieser gliedert sich in zwei Ebenen: ebenerdig schließt die obere Terrasse an, der sogenannte Spreebalkon, von der man direkt in den Skulpturensaal und den Schlüterhof gelangt. Die untere Ebene, die Spreeterrasse, liegt knapp über dem Wasserspiegel des Flusses.

Ein weiterer Raum ist durch die Dachterrasse entstanden, mit Blick auf die Kuppel des Schlosses über dem Eosander-Portal. Die Kuppel war kein Bestandteil des ursprünglichen Schlossbaus und das sie auf dem Scheitelpunkt ein Kreuz trägt, war nicht immer so vorgesehen. In Anlehnung an das römische Pantheon plante Karl Friedrich Schinkel ein Opaion, eine kreisrunde Öffnung als natürliche Lichtquelle für den darunter liegenden Kapellenraum.

Das Berliner Schloss war ab 1443 die Hauptresidenz der Kurfürsten von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern, die ab 1871 deutsche Kaiser waren. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss beschädigt. Die DDR-Führung ließ es 1950 sprengen und in den 1970er Jahren dort den Palast der Republik bauen. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das DDR-Kulturhaus bis Ende 2008 abgerissen und von 2013 bis 2020 das Berliner Schloss in Form des Ausstellungs- und Veranstaltungsortes Humboldt Forum für Kultur, Kunst und Wissenschaft wieder aufgebaut. Der Wiederaufbau wurde mit öffentlichen Mitteln und privaten Spenden finanziert und war von kontroversen Debatten begleitet.

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Das wiederaufgebaute Berliner Schloss mit dem Humboldt Forum auf der Spreeinsel.
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U-Bahn Station Museumsinsel der Linie U5 in Berlin.

Mit der Eröffnung des U-Bahnhofs Museumsinsel der U-Bahn-Line U5 erhielt das Humboldt Forum im Berliner Schloss einen Zugang zur U-Bahn in unmittelbarer Nähe. Die gewölbte Decke mit dem aus 6.000 Lichtpunkten bestehenden Sternenhimmel ist eine Hommage an einen Entwurf von Karl Friedrich Schinkel für ein Bühnenbild der Mozart-Oper Die Zauberflöte.

Mehr über die Antike in Berlin in Spree-Athen und Berlins braune Bronzen.

Die Fotos über das Berliner Schloss sind aus verschiedenen Jahren. Aus Experimentierfreunde und um ihnen einen einheitlicheres Aussehen zu geben, habe ich sie künstlerisch bearbeitet. Dazu nutze ich im Programm Pixelmator Pro die Funktion Match Color, eine auf maschinellem Lernen basierenden Funktion, mit der Farben eines Bildes an die Farben eines anderen Bildes anpasst werden können, oder, wie in diesem Fall, von Farbpaletten übertragen werden.

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