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Foro Italico und Stadio dei Marmi

Mit umfangreichen Bauprogrammen stellten sich die italienischen Faschisten in die Tradition der römischen Antike. Der Sportstättenkomplex im Norden Roms mit dem Stadio dei Marmi und seine 60 Monumentalstatuen zeugt unverändert noch heute davon.

Eine Stunde Fahrzeit vom Stadtteil Esposizione Universale di Roma in nördliche Richtung entfernt liegt in Rom eine weitere bauliche Hinterlassenschaft aus der Mussolini-Zeit, das heutige Foro Italico mit dem Stadio dei Marmi (Marmorstadion) und weiteren Sportanlagen. Im Jahr 1932 wurde der Sportstättenkomplex fertiggestellt. Die sechzig überlebensgroßen Monumentalstatuen rund um das Stadion gaben ihm seinen Namen.

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Eingang zum Stadio dei Marmi mit den ersten Monumentalstatuen. Im Hintergrund das Gebäude der ehemaligen Akademie für Sport und Bildung der Jugendorganisation der faschistischen Partei Italiens.

Der einfachste Zugang zum Marmorstadion führt um das Gebäude der ehemaligen Accademia Fascista Maschile di Educazione Fisica herum, über den Parkplatz. Heute wird das Gebäude von der italienischen Sporthochschule Foro Italico und dem Nationalen Olympischen Komitee Italiens genutzt.

Das Marmorstadion und die Akademie für Sport und Bildung gehörten zu den ersten Bauten auf dem damaligen Forum Mussolini. Sie wurden 1932 eingeweiht und sind bis heute nahezu unverändert. Bau- und Hausherr war die Jugendorganisation der Faschistischen Partei Italiens. Die Anlage wurde für öffentliche Sportveranstaltungen, Eröffnungsfeierlichkeiten und zur politischen Repräsentation des faschistischen Italiens genutzt.

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Die ersten drei Statuen: Rom als Herkules, der Hafenarbeiter aus Neapel und der Alpinist aus Aosta.

Das Marmorstadion besteht aus einem ovalen Platz, der von mehreren Sitztreppen umgeben ist. Über dieser Tribüne erheben sich auf einem über ein Meter hohen Sockel 60 Statuen, die vier Meter hoch und im antikisierten Stil gehalten sind.

Nördlich neben dem Marmorstadion liegt ein großes Verwaltungsgebäude, mit dessen Bau in den 1930er Jahren begonnen wurde. Als Palazzo del Littorio sollte es von den italienischen Faschisten als Parteizentrale genutzt werden. Erst nach dem Krieg wurde das heute als Palazzo della Farnesina bezeichnete Gebäude fertiggestellt, in dem seither das italienische Außenministerium untergebracht ist. Westlich vom Marmorstadion befindet sich das Olympiastadion. Es wurde als Stadio dei Cipressi ebenfalls 1932 eingeweiht und sollte 1940 für die Olympischen Spiele genutzt werden. Daraus wurde bekanntlich nichts und nach dem Krieg wurde es mehrfach umgebaut. Olympische Spiele fanden erst 1960 hier statt. Außerdem ist es die Heimspielstätte der beiden römischen Fußballclubs AS Rom und Lazio Rom.

Die überlebensgroßen Marmorstatuen rund um das Stadio dei Marmi und auf dem Foro Italico stellen kaum oder nicht bekleidete Männer dar, die klassische und moderne Sportarten ausüben und denen auch entsprechende Attribute wie z.B. ein Diskus oder ein Tennisschläger beigegeben sind. Jede Statue wurde von einer anderen italienischen Provinz gestiftet, deren Name meist auf dem Sockel zu lesen ist. Die Statuen aus Carrara-Marmor unterscheiden sich von anderen klassischen und neoklassizistischen Statuen durch ihre harten Gesichtsausdrücke und Körperformen.

Südlich des Marmorstadions erstreckt sich das heutige Foro Italico weiter über den ebenfalls original erhaltenen Mussolini-Obelisken mit dem ihm umgebenden Platz, Schwimmhalle und Schwimmstadion sowie die Gebäude und Anlagen für den Tennissport in dem unter anderem die Rom Masters ausgetragen werden. Der Mussolini-Obelisk stammt nicht, wie die anderen Obelisken in Rom, aus der Antike, sondern wurde Ende der 1920 Jahre in Auftrag gegeben und 1932 eingeweiht. Inzwischen wurde er restauriert, so dass er noch nach 90 Jahren in alter Frische strahlt. Genau wie die alte Inschrift “Führer Mussolini”. In Italien sieht man die Vergangenheit entspannt. Und die ist auch in den Inschriften auf den Mosaiken (“Unser Führer” usw.) und den Marmorblöcken mit den Meilensteinen der faschistischen Ära (“Marsch auf Rom” usw.) rund um den Obelisken präsent. Erläuternde Hinweistafeln oder ähnliches gibt es nicht.

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Sechzig 4 Meter große Monumentalstatuen aus Carrara-Marmor bilden einen Ring um das Marmorstadion und geben ihm seinen Namen.

Die italienischen Faschisten idealisierten römische Traditionen und knüpften an die antike Baukunst an. In ganz Italien wurden Bauprogramme und Architektur im Geist der neuen Zeit entwickelt auf aufgelegt. Ihr Erbe findet sich noch vielfach in Rom ebenso wie z.B. in Palermo, Brescia und vielen anderen Städten Italiens.

In Deutschland, vor allem in Berlin, ist das so sehr viel anders im Stadtbild auch nicht, wenngleich die Auseinandersetzung mit dem Faschismus und Nationalsozialismus doch eine sehr viel Kritischere ist, als in Italien. Über die Bauten des Nationalsozialismus in Berlin mache ich noch einen Beitrag. Über Berlins Braune Bronzen habe ich schon einmal geschrieben.

Immer wieder liest man in Internetbeiträgen, dass heute nur noch 59 von den 60 Statuen rund um das Stadio dei Marmi stehen. Taylor Hartley beschreibt und lokalisiert in ihrer Online-Datenbank 57 der Marmorstatuen. Meiner Zählung im April 2022 nach, sind alle 60 Statuen vorhanden. Sechs Statuen stehen rechts und links des Eingangsbereiches, 54 weitere schließen sich im Oval des Stadions an.

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