Aventicum war die Hauptstadt der römischen Schweiz. Im Museum kann man die Mutter aller Schweizer Taschenmesser bestaunen und beim Spaziergang durch das römische Avenches die einstige Pracht der antiken Stadt erahnen.
Um 15 v. Chr. gliederten die Römer das Gebiet der helvetischen Kelten, das sich vom Genfersee bis zum Bodensee erstreckte, in ihr Imperium ein. Das antike Aventicum wurde die Hauptstadt und unter dem römischen Kaiser Vespasian im ersten Jahrhundert in den Rang einer Kolonie mit dem Namen Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Confoederata erhoben. Vielleicht hat dazu beigetragen, dass Vespasian hier seine Jugend verbrachte und sein Vater Titus Flavius Sabinus in der Stadt Bankgeschäfte machte. Die keltische Bevölkerung romanisierte sich im Laufe weniger Generationen und übernahmen die lateinische Schrift und Sprache, Architektur und den Roman Way of Life. Unter Vespasian wurde mit dem Bau der Stadtmauer begonnen, ebenso wurden das Theater, das Amphitheater und das so genannte Cigognier-Heiligtum errichtet, die heute zum sichtbaren römischen Erbe von Avenches zählen. In ihrer Blütezeit lebten rund 20.000 Menschen in Aventicum.
Anfang oder Ende des Rundganges durch das römische Avenches ist meist das Amphitheater, mit dem im mittelalterlichen Turm untergebrachten Römermuseum. Einst konnten sich bis zu 16.000 Menschen die Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen im Amphitheater ansehen. Heute geht es weniger blutig zu: die Arena wird für Konzerte und Opernaufführungen genutzt.
Das Museum zeigt auf drei Ebenen Mosaiken, Büsten, Reliefs, Bronzen, Weihesteine, Geschirr und Krims und Krams aus dem Alltag der Römer in Aventicum. Ein ganz besonderes Exponat ist das Klappmesser mit dem Griff aus Elfenbein aus dem 3. Jahrhundert. Der Griff ist in Form zweier Gladiatoren geschnitzt, einem Secutor und einem Retiarius. Die Eisenklinge wurde in einen am Rücken des Secutors befindlichen Schlitz eingeklappt. Quasi die Mutter aller Schweizer Taschenmesser.
Die Kopie der Büste einer jungen Römerin stellt vielleicht Julia, die Tochter von Drusus dem Jüngeren und der Livilla dar. Die Büste fand man 1847 bei Ausgrabungen im römischen Theater von Aventicum. Gesicht, Haare und Gewand waren bemalt. Die Gesichtszüge der jungen Frau waren durch sorgfältige farbige Modellierung besonders hervorgehoben.
Aventicum verfügte auch über ein Bühnentheater. Aber statt zur Aufführung von Komödien und Tragödien dürfte das Bauwerk wohl angesichts seiner axialen Ausrichtung auf das Cigognier-Heiligtum hauptsächlich im kultischem Kontext verwendet worden sein. Der Tempel war das größte Heiligtum von Aventicum und wurde 98 nach Christus errichtet. Die Anlage mit einem von Säulen umgebenen Hof war wohl den Schutzgottheiten der helvetischen Stammesgemeinschaft als auch dem vergöttlichten römischen Kaiser geweiht. Seinen Name hat das Heiligtum von Störchen (cigogne), die auf seiner einzig stehengebliebenen, 12 Meter hohen Säule, immer wieder ihre Nester bauten. Fast alle anderen Säulen wurden über die Jahrhunderte zum Errichten von neuen Bauten in der mittelalterlichen Stadt verwendet.
Ein gutes Stückchen vom Stadtkern Avenches entfernt befinden sich die Überreste des einstigen Osttores von Aventicum. Reisende, die vom Rheingebiet herkamen, konnten von der erhöhten Lage aus das gesamte von der Stadtmauer umschlossene Gebiet mit seinen Monumentalbauten auf einen Blick erfassen. Diese eindrucksvolle Rundsicht dürfte beabsichtigt gewesen sein, um den Wohlstand und die Bedeutung der Stadt zu inszenieren.
Vom Osttor waren fast nur noch die Grundmauern erhalten geblieben, weshalb der Archäologe Louis Bosset in den 1910er Jahren Teile der Anlage bis zu einer Höhe von zwei Metern wieder aufbauen ließ. Mit ihren Toren und Türmen verkörperten die Stadtbefestigungen den politischen Status zahlreicher antiker Städte. Die Stadt Aventicum legte sich eine solche Prestigearchitektur erst zu, als sie in den Rang einer Kolonie erhoben wurde.
Der nördlich des Osttors gelegene Turm, im Volksmund Tornallaz genannt, ist als einziger der 73 Türme der Stadtmauer bis heute auch in seinem aufgehenden Mauerwerk erhalten geblieben. Sein Überleben verdankt das Bauwerk dem Umstand, dass er über die Zeit der Antike hinaus als Beobachtungs- und Meldeposten diente. Zum Glück für das römische Avenches.
Mehr über das römische Avenches auf der Webseite des Römermuseums und dem Förderverein Association Pro Aventico.
Avenches auf Google-Maps. Mit dem Zug von Zürich oder Genf in 2 bis 2,5h zu erreichen.