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Germanen – Eine archäologische Bestandsaufnahme

Schon zwei Jahre ist es her, dass ich mir die Sonderausstellung Germanen – Eine archäologische Bestandsaufnahme in Bonn angesehen habe. Ein Blickfang sind die Illustrationen von Benoît Clarys.

Im Herbst 2020 eröffnete in Berlin die Sonderausstellung Germanen – Eine archäologische Bestandsaufnahme. Die Coronapandemie machte den Besuch zeitweilig unmöglich. Als es wieder möglich war, schloss die Ausstellung vorzeitig. Beim Kooperationspartner LVR-LandesMuseum Bonn ging es dann weiter. Eine informative Ausstellung mit eindrucksvollen Illustrationen von Benoît Clarys.

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Sonderausstellung “Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme” im LVR-LandesMuseum in Bonn.

Inzwischen hat es sich weitgehend herumgesprochen: Ein Volk mit dem Namen Germanen hat es vermutlich nie gegeben. Die Römer verwendeten die Bezeichnung als Sammelbegriff für die Stämme jenseits des Rheins. Klischees und Mythen von den rauflustigen Wilden und Vorfahren der Deutschen sind nach wie vor präsent. In den vergangenen 20 Jahren hat die Archäologie dank Ausgrabungen, Funde und Forschungen neue Erkenntnisse zu den Germanen gewonnen.

Das Leben in der Germania war durch eine Selbstversorgungs- und Bedarfswirtschaft geprägt. Neben dem Getreideanbau bildete die Viehzucht die Grundlage für die Ernährung und lieferte die Rohstoffe für die verschiedensten Produkte. Auch wenn sich während der Römischen Kaiserzeit Innovationen in der Germania bei den landwirtschaftlichen Geräten aufgrund römischen Einflusses erkennen lassen, kam es zu keiner nennenswerten Überschussproduktion. Etwa vierzig Prozent der heutigen Weltbevölkerung betreibt noch eine vergleichbare Wirtschaft, zu deren Kennzeichen auch das Nichtvorhandensein eines Geldkreislaufes zählt.

Trotz ihrer landwirtschaftlichen, im Wesentlichen auf Eigenversorgung ausgerichteten Produktionsweise war die Germania wirtschaftlich für Rom interessant. Blei, Bernstein, Felle, landwirtschaftliche Produkte, Frauenhaar, Sklaven und möglicherweise sogar verhüttetes Eisen waren begehrte Handelsgüter.

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Der Schildbuckel aus Gommern: Ein Schmied fertigt ein römisches Trinkgefäß zu einem Schildbuckel um. Ein Schildbuckel ist in der Mitte eines Schildes angebracht, um die Hand des Kämpfers zu schützen. Das Objekt wurde bei der Ausgrabung eines germanischen Grabes in Gommern, Sachsen-Anhalt, gefunden. Illustration von Benoît Clarys.

Aktuelle Forschungen belegen, dass die Herrschaftsgebiete der vielfach als Fürsten bezeichneten Eliten in der Germania vermutlich nur sehr begrenzt waren und etwa der Größe eines heutigen Landkreises entsprachen. Es handelte sich also um lokale Potentaten – um reiche Bauern. Auffallend ist, dass Herrscherpersönlichkeiten wie z. B. Vannius, Marbod oder Arminius, denen eine Art Reichsbildung oder doch zumindest eine erhebliche Machtkonzentration gelang, in der Germania eine Ausnahmeerscheinung blieben.

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Gesellige Germanen, Illustration von Benoit Clarys. „Das Würfelspiel betreiben sie seltsamerweise nüchtern wie eine ernsthafte Sache, …” Tacitus, Germania 24,2

Brett- und Würfelspiele erfreuten sich bei den germanischen Eliten einer großen Beliebtheit, in deren Gräbern finden sich immer wieder Spielsteine und Reste von Spielbrettern. Offensichtlich war das Spielen Bestandteil einer elitären Lebensweise. Eingeritzte Spielpläne auf Holzobjekten, wie auf einer Schale aus dem Mooropferfund von Nydam Mose, zeigen jedoch, dass Spielen keinesfalls nur ein Privileg der Elite war, sondern allgemeiner Zeitvertreib.

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Illustration “Vor der Schlacht” von Benoit Clarys

Rom und die Germanen, das ist auch der Mythos der Schlacht im Teutoburger Wald. Zwei ungleiche Gegner standen sich gegenüber: Auf der einen Seite die Römer mit ihrer überlegenen Waffentechnik und Militärorganisation, auf der anderen Seite im Kriegshandwerk geübte germanische Gemeinschaften, die die Stärken und Schwächen Roms studierten. Vereinzelt, wie in der Varusschlacht, gelang es die Stärke in Schwäche zu verwandeln. In einzelnen erbitterten Scharmützeln, die sich möglicherweise über Tage hinzogen, wurden 9 n. Chr. drei römische Legionen mit ca. 20 000 Soldaten aufgerieben. Der germanische Angriff erfolgte in der Nähe von Kalkriese an einem natürlichen Engpass. Hier konnten die Legionen ihre militärische Stärke nicht entfalten.

Wenn auch nicht als unmittelbare Folge dieser Niederlage, so gab Rom doch im Jahr 16. n. Chr. die Pläne einer Provinz Germania zwischen Rhein und Elbe auf. Strategische und wirtschaftliche Überlegungen führten zur Festlegung der Grenze am Rhein.

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Plünderung des Schlachtfeldes, Illustration von Benoît Clarys.

Zur anderen Seite der Geschichte der Germanen und Rom gehört die militärische Zusammenarbeit. Germanische Reiterverbände und Hilfstruppeneinheiten eroberten mit römischen Legionären Gallien und Britannien, stellten die Leibwachen römischer Kaiser und später befehligten germanische Heerführer oder vielmehr Heerführer mit germanischen Migrationshintergrund römischer Armeen.

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Zwei Stockwerke der Dauerausstellung im LVR-LandesMuseum werden zurzeit neu konzipiert. Im Herbst 2023 soll ein Teil wieder zugänglich sein.

Sonderausstellung Germanen – Eine archäologische Bestandsaufnahme im LVR-LandesMuseum Bonn und im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin.

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