Die geflügelte Victoria von Brescia: seit ihrer Restaurierung vor zwei Jahren steht die Bronzestatue wieder dort, wo sie im ersten Jahrhundert aufgestellt wurde. Auf dem einstigen Kapitol des antiken Brixia. Ein Besuch des Symbols der Stadt Brescia.
Als ich im August 2019 Brescia besuchte, war die antike Bronzestatue kurz vorher in die Restaurierung nach Florenz gebracht worden. Dann kam die Zeit der Reiseeinschränkungen und geschlossenen Museen durch Corona, dann andere Reisen und so nutze ich im Oktober meinen Aufenthalt in Rom für einen Abstecher nach Brescia.
Vor bald 200 Jahren, am 26.07.1826, wurde eine knapp zwei Meter hohe und fast 400 kg schwere Bronzestatue bei Ausgrabungsarbeiten auf dem Kapitol des antiken Brixia gefunden. Sie lag versteckt in einem Hohlraum an der Tempelwand, zusammen mit mehreren anderen Bronzeobjekten. Arme und Flügel der Statue waren demontiert.
Bis sie im Jahr 2017 nach Florenz in die Restaurierung ging, stand die Statue der geflügelten Victoria die letzten Jahre im Museum Santa Giulia in Brescia. Während der Restaurierung wurde die Skulptur gereinigt und eine neue Stützkonstruktion in den Hohlkörper eingebaut. Seit dem 20. November 2020 steht sie wieder dort, wo sie bereits in der Antike stand: im Kapitolstempel für die drei kapitolinischen Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva des antiken Brixia. Der spanische Architekt Juan Navarro Baldeweg hat den Ausstellungsraum neugestaltet, um die Statue unter konservatorisch optimalen Bedingungen in Szene zu setzten. Die Victoria steht jetzt erdbebensicher auf einem Sockel aus Botticinostein. Eine zentrale Deckenlampe leuchtet die Skulptur aus.
Die geflügelte Victoria stütze ursprünglich ihren Fuß auf den Helm des Kriegsgottes Mars. Mit der linken Hand hielt sie einen Schild, den sie auf ihrem linken Oberschenkel abstütze. Die rechte Hand schrieb wohl den Namen eines siegreichen Feldherren oder eine andere Erinnerung an einen Sieg auf den Schild. An der gusseiserne Nachbildung der geflügelten Victoria von Brescia in Tschechien ist dies so dargestellt.
Der Bildhauer der antiken Victoria von Brescia orientierte sich vermutlich an der Darstellung der Aphrodite und ergänzte sie mit Flügeln. Die wissenschaftlichen Untersuchungen während der Restaurierung haben jedoch gezeigt, dass es keine nachträgliche Ergänzung einer vorhandenen Aphroditestatue mit den Attributen einer Siegesgöttin war. Die Flügel und die Statue sind aus identischem Material und wurden zur gleichen Zeit gefertigt, wohl kurz nach der Mitte des ersten Jahrhunderts in einer spezialisierten Werkstatt, vielleicht in Norditalien. Mehrere Teile wurden im sogenannten Wachsausschmelzverfahren hergestellt und dann zusammengefügt. Die geflügelte Victoria von Brescia gehört zu den wenigen römischen Bronzestatuen in dieser Qualität, die noch erhalten sind und nicht in der Spätantike oder im Mittelalter zur Herstellung anderer Gegenstände eingeschmolzen wurden.
Entsprechend stolz ist man in Brescia auf das Symbol der Stadt und seine Rückkehr in das Capitolium im archäologischen Park des römischen Brixia. Nicht nur die Lokalmedien berichteten ausführlich, auch der New York Times war es eine Meldung wert. Die italienische Post gab – zum zweiten Mal – eine Sonderbriefmarke heraus und die Stiftung des Museums spendete allen Schulkindern in Brescia das neue Mickey Mouse Heft mit den Abenteuern der geflügelten Minni.
Archäologischer Park des römischen Brescia Webseite und auf Google Maps. Mehr über Brescia und meinen Besuch im Jahr 2019.