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Kühler wohnen in Bulla Regia

Mit der Romanisierung der Stadt Bulla Regia im heutigen Tunesien entwickelte sich dort nicht nur die römische Lebensart, sondern auch die Bauweise. Wohnblocks mit unterirdischen Stockwerken sorgten während des heißen Sommers für kühles Wohnklima.

Der im zweiten punischen Krieg mit den Römern verbündete numidische König Massinissa macht den Ort im heutigen Nordwesten von Tunesien zu seiner Residenzstadt, worauf der Name Bulla Regia noch verweist. Im Jahr 46 vor Chr. wurde das königliche Bulla in die römische Provinz Africa proconsularis eingegliedert und erlebte Wachstum und Wohlstand.

Die Stadt begann allmählich römisch zu werden. Die griechisch-römische Religion, die neuen römischen Namen, die sich ihre Einwohner gaben, und die Verwendung der lateinischen Sprache begannen sich im Alltag zu verbreiten. Alle wesentlichen Elemente einer römischen Stadt waren in Bulla Regia vorhanden: ein Forum, zivile Basiliken, mehrere öffentliche Bäder, eine Bibliothek, ein Markt, ein Theater, ein Amphitheater, ein Kapitol mit dem Tempel für die wichtigsten Götter Jupiter, Juno und Minerva sowie weitere Tempel für beispielsweise Isis und Apollo, dessen dort gefundene Statue heute im Bardo-Museum in Tunis gezeigt wird.

Kaiser Hadrian schließlich erhob Bulla Regia im zweiten Jahrhundert zu einer Colonia mit dem Namen Colonia Aelia Hadriana Augusta Bulla Regia. Die Bewohner erhielten das volle römische Bürgerrecht und die Stadt das Recht auf Selbstverwaltung.

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Römische Begräbnissitten: Stein mit Grabinschrift Dis Manibus Sacrum (DMS) „den Totengeistern geweiht“.
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Haus der Venus in Bulla Regia

Heute ist Bulla Regia vor allem für seine gut erhaltenen unterirdischen Häuser bekannt. Viele der Wohnblocks bestanden aus zwei Stockwerken, von denen eines unterirdisch lag und als Schutz vor der Hitze des nordafrikanischen Klimas diente. Hier profitierten die Bewohner von der natürlichen Isolierwirkung des Bodens und den konstanten und niedrigeren Temperaturen als an der Oberfläche.

Die ausgegrabenen Häuser in Bulla Regia erhielten verschiedene Namen wie Venushaus, Jagdhaus, Neues Jagdhaus, Fischerhaus oder Schatzhaus und erinnern damit an die wichtigste Entdeckung in diesen Wohnhäusern. Oftmals ist es das Thema des Mosaikbodens. Bei den Ausgrabungen ab dem Jahr 1906 und den nachfolgenden Restaurierungen wurde auch das römische Entwässerungssystem wiederhergestellt, um die Häuser in der Hanglage vor Überschwemmungen durch Regenwasser zu schützen.

Das Haus der Jagd in Bulla Regia ist eines der bekanntesten Häuser. Die Überreste der Säulen des Innenhofes zeigen, dass sie einst mit Marmor aus dem nahegelegenen Simitthus (heute Chemtou) verkleidet waren. Der französische Architekt und Archäologe Jean-Claude Golvin hat das zeitgenössische Aussehen des Hauses der Jagd in einer Rekonstruktionszeichnung dargestellt.

Nahe des Hauses der Jagd liegt das Haus der neuen Jagd. Auch hier sind die Räume im Erdgeschoss um ein Peristyl herum angeordnet. Seinen Namen verdankt es einem Figurenmosaik im Triklinium, das eine Jagdszene darstellt. Vor dem Speisezimmer befindet sich noch eine griechische Inschrift in einem Mosaik die übersetzt etwa lautet: “Setze deine Hoffnungen in dich selbst.“ Ein guter Rat.

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Haus der neuen Jagd in Bulla Regia

Das Haus der Venus (fälschlicherweise wird es oft das Haus der Amphitrite genannt) in Bulla Regia ist eines der bedeutendsten Wohnhäuser der antiken Stadt. Es ist für seine besonders gut erhaltenen Mosaike bekannt, darunter eine Darstellung der Venus zwischen zwei Kentauren und das Portrait einer Frau mit Lorbeerkranz.

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Haus der neuen Jagd

Zu den öffentlichen Bauwerken von Bulla Regia gehört das Theater. Es hatte ursprünglich eine halbrunde Form, mit einer Zuschauertribüne, die in Sitzreihen unterteilt war. Diese Reihen boten Platz für mehrere Tausend Zuschauer. Die Bühne besaß eine aufwendige gestaltete Bühnenwand, die reich mit Säulen, Nischen und Statuen verziert war. Diese Wand diente nicht nur als Hintergrund für die Aufführungen, sondern auch als architektonisches Prunkstück. Während ein Großteil der Sitzreihen noch intakt ist, ist von der Bühnenwand außer den Fundamenten nichts mehr übriggeblieben.

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Steinschmuck am Theater

Zu den weiteren öffentlichen Gebäuden gehörten die Julia Memmia Thermen in Bulla Regia. Die großzügig gestaltet Anlage aus dem zweiten Jahrhundert umfasst verschiedene Baderäume, darunter Heißbad, Warmbad und Kaltbad, die typisch für römische Thermen sind. Die Thermen dienten nicht nur der Körperpflege, sondern auch als sozialer Treffpunkt der Stadtbewohner. Ein etwas erhöht liegender Portikus schloss die Thermen zur Straße hin ab. Hier befanden sich vermutlich kleine Läden.

Über Julia Memmia selbst ist bekannt, dass sie aus einer reichen und dem Senatorenstand angehörenden Familie aus Bulla Regia stammt. Laut einer Inschrift in der Badeanlage stiftete sie den Bau der Therme. Auf den Bögen der vier Nischen im Kaltbad sind Embleme (eine fünfzackigen Krone, eine Mondsichel auf einem Stab, eine vierzackige Krone und eine dreizackige Krone) von vier Vereinen enthalten. Vielleicht von sogenannten Sodalitäten, wie sie auch aus Thysdrus, dem heutigen El Jem in Tunesien, bekannt sind. Die Fachwelt vermutet, dass die Stifterin der Thermen, Julia Memmia, mit einer der Sodalitäten in Verbindung stand und dass daher mehrere dieser Gruppen die Thermen bevorzugt benutzen durften. Aus Pompeji ist bekannt, dass auch Frauen Patrone von Vereinen gewesen sind.

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Monument in "Opus reticulatum" Bauweise

Nahe des Einganges zur archäologischen Stätte von Bulla Regia liegt ein großer Gebäudekomplex aus dem ersten Jahrhundert, dessen Nutzung unbekannt ist. Es handelt sich um einen großen rechteckigen Raum, der durch zwei Säulenreihen unterteilt ist. Es war mit geformten Gesimsen aus numidischem gelbem Marmor aus den Chemtou-Steinbrüchen verziert. Die Mauern sind in Opus Reticulatum Bauweise errichtet. Dabei werden kleine quadratische Steine vermauert, die um 45 Grad gegenüber der Horizontalen gedreht sind und wie eine Raute mit der Spitze nach unten zeigen. Aus einem unterirdischen Lagerhaus im antiken Narbo Martius im heutigen Frankreich ist mir diese Bauweise in Erinnerung.

Die archäologische Stätte Bulla Regia auf der Webseite der Agentur für die Entwicklung des Kulturerbes und der Kulturförderung Tunesiens und auf Google-Maps.

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