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Centrale Montemartini: Industriekultur und Antike

Das erste E-Werk Roms dient seit fast 25 Jahren als Antikenmuseum und präsentiert Statuen, Büsten und Mosaike in einer imposanten Industriekulisse. Nach acht Jahren war ich wieder einmal im Centrale Montemartini und hatte das Museum ein paar Stunden für mich alleine.

Ein wenig beachteter Schatz unter den Museen der ewigen Stadt ist das Centrale Montemartini im Südwesten Roms an der Via Ostiense 106. Es war das erste Elektrizitätswerk der Stadt Rom und von 1912 bis 1963 im Dienst. Als Antikenmuseum sollte das industrielle Erbe nur als Zwischenlösung dienen. Größere Baumaßnahmen im Konservatorenpalast im Jahre 1997 machten eine Auslagerung von großen Teilen der Sammlung nötig. Wie das mit Provisorien manchmal ist, erwies sich auch dieser Notbehelf als langlebig. Nach dem Abschluss der Baumaßnahmen blieben die antiken Statuen, Büsten und Mosaiken im alten Kraftwerk. Da es abseits der touristischen Hauptrouten liegt, halten sich die Besucherzahlen in Grenzen.

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Das städtische Museum Centrale Montemartini wurde zu Beginn der 20. Jahrhunderts als Elektrizitätswerk gebaut. Heute ist das Museum eine Außenstelle der Kapitolinischen Museen

Im Souterrain des Museums, im sogenannten Säulensaal, ist Portraitkunst aus der Zeit der römischen Republik ausgestellt. Unter anderem die Togastatue eines Mannes mit Familienbüsten. In den Händen hält er die Portraits seines Großvaters (50-40 vor Chr.) und seines Vaters (20-15 vor Chr.). Im Atrium der Wohnhäuser reicher Römer hingen oft die Wachsmasken berühmter Vorfahren. Das Relief daneben zeigt eine Frau und ein Mädchen mit kunstvollen Frisuren. Das Portrait eines Ehepaares, zeigt das Bildnis des Mannes naturalistisch, das Bildnis der Frau idealisiert. Das Relief stammt aus dem zweiten Viertel des ersten Jahrhunderts vor Christus.

Die untere Reihe zeigt die “best buddies” Marcus Vipsanius Agrippa und Gaius Octavius, dem späteren Kaiser Augustus. Die beiden Marmorbüsten sind aus der Zeit der ersten Jahre des Prinzipats von Augustus. Gefunden wurde die Büsten in den Ausgrabungsstätten an der Via del Mare. Ebenfalls dort gefunden wurde die Büste von Gnaeus Domitius Corbulo, Feldherr unter den römischen Kaisern Claudius und Nero. Tatsächlich aber zeigt die Büste aus der Sammlung Giustiniani wohl lediglich eine Persönlichkeit des ersten Jahrhunderts und nicht den Vater von Domitia Longina, der Ehefrau des späteren Kaisers Domitian. Auf jeden Fall spielt Corbulo eine Rolle in zwei Romanen von Simon Scarrow um die Abenteuer der beiden römischen Legionäre Lucius Cornelius Macro und Quintus Licinius Cato. Schön übrigens auch, wie unterschiedlich die Charaktere von Agrippa und Augustus in den TV-Serien Rom und Domina dargestellt werden.

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Eine Statue der Aphrodite vor einer Anlage des italienischen Maschinenbauunternehmens Franco Tosi im sogenannten „Säulensaal“ im Untergeschoss des Museums Centrale Montemartini
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Vom Säulensaal geht es unter den wachsamen Blicken der Göttin Athena die Eisentreppe hinauf in den hellblau gehaltenen Maschinensaal des Museums Centrale Montemartini

Im Maschinensaal des Museums Centrale Montemartini finden sich Stücke aus dem einstigen Zentrum der Stadt. Kunstschätze aus Tempeln, Bilder, Fresken, Statuen und Büsten aus diesem Bereich des antiken Roms werden hier neben alten Dampfturbinen des Elektrizitätswerkes präsentiert.

Eines der Glanzstücke im Museum ist die überlebensgroße Statue der Agrippina. Die Skulptur ist nicht aus Marmor, sondern aus Grauwacke, einer Sandsteinart mit großer Festigkeit. Agrippina die Jüngere, Nichte und Ehefrau Kaiser Claudius, ist hier dargestellt als Priesterin. Die Statue ist wohl in der Spätantike in viele Teile zerschlagen und im 19. Jahrhundert in einer mittelalterlichen Mauer verbaut wieder aufgefunden worden. Der hier im Centrale Montemartini ausgestellt Rumpf konnte aus den gefundenen 41 Fragmenten wieder teilweise zusammengesetzt werden. Der Kopf auf der Statue ist eine Nachbildung aus Gips. Das Original befindet sich in einem Museum in Kopenhagen. Vereint waren Kopf und Körper vor einigen Jahren für die Sonderausstellung im Römisch-Germanischen Museum zum 2000. Geburtstag von Agrippina. Agrippina wurde als Tochter des Feldherrn Germanicus und Agrippina der Älteren in Köln geboren und hat noch heute als mächtigste Kölnerin und Mädchen für alles einen hohen Stellenwert in der ehemaligen Hauptstadt der Provinz Niedergermanien.

Eine weitere Statue der Aphrodite und eine Großstatue der Diana bzw. Artemis, der Göttin der Jagd, stehen im Maschinenraum vor den gewaltigen restaurierten Dieselmotoren zur Stromerzeugung im ehemaligen Elektrizitätswerk Centrale Montemartini. Ebenso eine Statue der griechischen Stadtgöttin Athena als römische Kopie des bekannten griechischen Originals aus Bronze aus dem späten 5. Jahrhundert vor Christus. Eine Nachbildung der Bronzestatue habe ich kürzlich im Innenhof der wiedereröffneten Glyptothek in München sehen können.

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Der sogenannte „Kesselraum“ ist der dritte Ausstellungsbereich im Museum Centrale Montemartini

Im Kesselraum, dem dritten Ausstellungsaal im Centrale Montemartini, befinden sich entlang der grünen Wände und Stellwände antike Stücke aus den einstigen Gärten und kaiserlichen Palästen in Rom. Die militärische Siegestrophäe aus augusteischer Zeit mit Brustpanzer und Feldherrenumhang ist aus parischem Marmor. Die dazugehörigen bronzenen Waffen sind nicht mehr vorhanden. Das große sogenannte Mosaik von Santa Bibiana mit den verschiedenen Jagdszenen ist aus dem frühen 4. Jahrhundert. Es wurde unter der Kirche Santa Bibiana gefunden, die später auf dem Gebiet der antiken licinischen Gärten errichtet wurde.

Der Mann mit dem erhobenen Arm ist wohl ein römischer Magistrat, der hier als Veranstalter von Spielen gerade durch den Wurf der mappa, einem weißem Tuch, ein Wagenrennen startet. Vielleicht stellt die Statue Quintus Aurelius Symmachus dar, einen römischen Politiker und bedeutenden Redner des späten vierten Jahrhunderts. Die Statue der Muse (vermutlich Polyhymnia) ist eine römische Kopie aus antoninischer Zeit. Das griechische Original wird auf das Ende des 2. Jh. v. Chr. datiert.

Am Ende des Kesselraumes steht das Grabdenkmal des Quintus Sulpicius Maximus. Der junge Quintus, Sohn wohl eines griechischen Freigelassenen, starb im Jahr 94 bei einem großen Dichterwettkampf an Überanstrengung, wie vermutlich sein Vater auf dem Grabdenkmal vermerkt hat. Der Text seines Wettkampfgedichtes ist vollständig auf dem Grabmonument eingraviert.

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Grabdenkmal des jungen Dichters Quintus Sulpicius Maximus

Die Grabinschrift lautet: “Den Manen geweiht. Dem Q. Sulpicius Maximus, Sohn des Quintus, aus der Tribus Claudia, aus Rom, der 11 Jahre, fünf Monate und 12 Tage lebte. Dieser hat im dritten Lustrum des Wettkampfes, bei welchem er unter 52 griechischen Dichtern aufgetreten war, die Zuneigung, die er wegen seines zarten Alters weckte, durch sein Talent zur Bewunderung geführt und er ist in Ehren abgetreten. Seine aus dem Stegreif gedichteten Verse sind hinzugesetzt worden, damit seine Eltern nicht als aus Liebe übertreibend angesehen würden. Quintus Sulpicius Eugramus und Licinia Lanuaria, die unglücklichsten Eltern, machten dies für ihren frömmsten Sohn und für sich selbst und für ihre Nachfahren.“

Fotografiert habe ich diesmal mit einer Canon PowerShot G7 X Mark II und einem iPhone XR. Im Jahr 2012 war ich schon einmal im Centrale Montemartini, damals fotografierte ich mit einer Panasonic Lumix DMC-TZ31 und mit einem iPhone 4s.

Städtisches Museum Centrale Montemartini: Via Ostiense 106, Rom.

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