Alle Beiträge·Griechenland·Menschen und Götter·Rom

Liebieghaus: Maschinenraum der Götter

Im Maschinenraum der Götter wurde der Grundstein unserer Zukunft gelegt. Die gleichnamige Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus zeigt Forschung und Technik der Antike.

Von Ägypten und Mesopotamien übernahmen die griechischen Dichter zahlreiche Anregungen, so auch die Darstellung fiktiver Hochtechnologie im Mythos. Schon im 7. oder 6. Jahrhundert vor Christus berichtete der für seine Heldengedichte Ilias und Odyssee bekannte Homer von goldenen Robotern, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind und die Götter bedienen.

Der griechische Gott der Ingenieurskunst Hephaistos und sein Nachkomme Daidalos sind Urheber einer Serie von Erfindungen: Antike Schriftquellen schildern die von ihnen entwickelten Raumschiffe, Fluggeräte, Androide, Roboter, Automata und High-Tech-Waffen. Wohlbekannt aus der Mythologie ist die Geschichte der Flucht mit seinem Sohn Ikaros. Der kommt mit seinen Flügeln aus Federn und Wachs der Sonne zu nah und stürzt ab. Das Liebieghaus zeigt eine römische Marmorstatue, die als Leihgabe aus dem Museum Centrale Montemartini der Kapitolinischen Museen in Rom nach Frankfurt kam. Ebenso eine Statue des Titanen Prometheus, von Zeus als Strafe an Felsen gefesselt, weil er den Menschen das Feuer geschenkt hat.

IMG_6645
Modell des runden Speisesaales im Palast von Kaiser Nero in Rom mit dem rekonstruierten Antriebsmechanismus.

Höhepunkt des Palastes von Kaiser Nero in Rom war die Cenatio Rotunda, der runde Speisesaal. Dem römischen Schriftsteller Sueton zufolge war der Speisesaal nicht nur kreisförmig, sondern drehte sich auch langsam und beständig, um so die Bewegung des Himmelsgewölbes nachzuahmen, schreibt Françoise Villedieu in dem Begleitband zur Ausstellung. Französische Archäologen haben den Unterbau des Speisesaals vor einigen Jahren wiederentdeckt und konnten den Antriebsmechanismus rekonstruieren. Ein (nicht mehr ganz aktuelles) Modell zeigt das Liebieghaus in seiner Ausstellung. Das Aussehen des Aufbaus ist nicht gesichert. Vielleicht hatte der Saal die Form des Himmelsglobus, einer Sphaira. Der Kaiser konnte hier – im Zentrum des Universums – seine Gäste bewirten.

Eine Sphaira schulterte vielleicht auch der Titan Atlas. Die Leihgabe des Atlas Farnese aus dem Archäologischen Museum in Neapel ist die römische Kopie einer griechischen Bronzeskulptur. Der Himmelsglobus, also die Sphaira auf dem Rücken der Figur zeigt 41 Sternbilder, darunter die 12 Tierkreiszeichen.

Es könnte sein, dass im berühmten Turm der Winde in Athen des Astronomen Andronikos von Kyrrhos das bronzene Original der hellenistischen Skulptur stand und Atlas mit der Sphaira auf den Schultern sich drehte. Darauf deuten Einlassungen für Rollenlager in einer kreisrunden Vertiefung im Boden des Turms hin. Vielleicht stand dort aber auch eine durch Wasserkraft angetriebene Sphaira, wie sie von den griechischen Gelehrten Poseidonios aus Rhodos oder Archimedes aus Syrakus überliefert ist.

IMG_6652
Der berühmte Mathematiker und Physiker Archimedes aus Syrakus ist in der Liebieghaus-Ausstellung auf einem römischen Mosaik wohl aus dem zweiten Jahrhundert vertreten.

Das Auge erfreut sich an räumlicher Tiefe und Farbe, aber auch an Bewegung. So waren diese drei Kategorien zu allen Zeiten wichtige Eigenschaften von Skulptur. Automaten begegnen wir bereits in der Antike, später in den sogenannten Kunstkammern der höfischen Sammlungen. Immer sollen die Automaten Erstaunen hervorrufen, aber auch zum Nachdenken anregen.

Für viele wohl der Höhepunkt der Ausstellung Maschinenraum der Götter im Liebieghaus ist die farbige Skulptur Apollo Kithara von dem amerikanischen Maler und Bildhauer Jeff Koons. Er hat in einem künstlerischen Prozess aus der berühmten Marmorstatue des musizierenden Apollo eine farbige Skulptur aus Acrylglas geschaffen und mit einem animierten Element, der animatronischen Schlange, ausgestattet.

Der griechische Göttervater Zeus hatte seine Frau Hera mit der Titanin Leto betrogen. Hera sendet den Drachen Python (hier als Schlange), um die schwangere Leto zu vernichten. Leto kann sich auf die Insel Delos retten und gebart dort die Zwillinge Artemis und Apollo. Apollo tötet den Drachen mit Pfeil und Bogen, die vom Gott der Schmiede- und Ingenieurskunst Hephaistos gefertigt worden war.

Leider nur audiovisuell in der Ausstellung vertreten, ist das vielleicht spektakulärste Stück antiker Technik: der sogenannten Mechanismus von Antikythera. Nachdem Schwammtaucher vor 120 Jahren mehrere oxidierte Bronzeklumpen in einem antiken Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera entdeckten, wurde in vielen Forschungsschritten deutlich, dass es sich um das hochkomplexe Zahnradgetriebe eines astronomischen Instruments handelt. Erst in den letzten Jahren ist es dem Forschungsteam um Tony Freeth gelungen, die entscheidenden Fragen dieses Wunderwerkes zu beantworten und seine erstaunlichen Funktionen offenzulegen.

Das astronomische Gerät bildete mit einem raffinierten Zahnradgetriebe die Bewegungen von ­Sonne, Mond und den Planeten ab. Über eine Kurbel ließ sich das Getriebe im Inneren antreiben. Zugleich bewegten sich auf den Außenseiten Zeiger und Ringe auf verschiedenen Zifferblättern. Sie bildeten mehrere astronomische Ereignisse ab. Die Fundstücke sind im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ausgestellt.

IMG_6643
Ausstellungsplakat “Maschinenraum der Götter” an der Mainbrücke Holbeinsteg vor der nächtlichen Skyline Frankfurts.

Man lebt nicht immer in der fortschrittlichsten Zeit. Ab der Spätantike ersetzte der Glaube die Erforschung der Welt, zumindest dort, wo sich die christliche Kirche ausbreitete. Die antiken Schriften aber überlebten vielfach in Übersetzungen im arabisch-islamischen Kulturraum, wo neue Wissenszentren entstanden. Daran konnten Gelehrte der Renaissance wie Leonardo da Vinci oder Nikolaus Kopernikus wieder anschließen.

Die Ausstellung Maschinenraum der Götter im Frankfurter Liebieghaus noch bis 10.09.2023. Einen Audioguide gibt es auch als App für iPhones und andere Mobilgeräte.

Weiterlesen:

Hinterlasse einen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert