Alle Beiträge·Rom

Unter dem Kolosseum bei Nacht

Auf den Rängen tobte das Publikum vor Begeisterung, im Sand der Arena kämpften die Gladiatoren. Darunter schufteten Sklaven für das Spektakel. Wie es unter dem Kolosseum aussieht, kann man bei einer nächtlichen Führung erfahren.

IMG_9403-scaled
Blick auf das Kolosseum von der Via dei Fori Imperiali. Die Plakate mit den Statuen hinter den Rundbögen vermitteln beinahe den Eindruck wie in der Antike, als hier überall Marmorstatuen standen.

Beim klassischen Besuch des Kolosseums in Rom können der Zuschauerbereich und der Arenaboden besichtigt werden. Da der Holzboden der Arena nicht vollständig rekonstruiert ist, kann man von dort einen Blick in die darunterliegende Struktur werfen. Eine Gelegenheit, auch die unterirdischen Bereiche des flavischen Amphitheaters zu besichtigen, bietet die Führung Eine Nacht im Kolosseum. Einmal in der Woche zwischen 20 und 24 Uhr werden kleine Gruppen von Besuchern durch den Arenabereich und seine unterirdischen Räume geführt.

IMG_9422-scaled
Der Maschinenraum des Kolosseums: Der Raum unterhalb des Arenabodens war ursprünglich nicht bebaut. Nach Entfernung der Holzbohlen konnte er geflutet werden, etwa für Seeschlachten, wie sie Kaiser Titus zur Einweihung des Kolosseums aufführen ließ. Sein Bruder und Nachfolger Domitian ließ das Hypogeum einbauen.

Unter dem hölzernen Arenaboden liegt ein komplexes System aus gemauerten Gängen, Räumen und Aufzügen. In diesem Hypogeum wurden wilde Tiere bis zu ihrem Einsatz in der Arena gehalten, auch die Gladiatoren warteten hier auf ihren Kampf. Außerdem lagerten hier Kulissen und Requisiten, auch die Sanitäter und Bestatter werden hier wohl ihrem Handwerk nachgegangen sein.

Ein System von hölzernen Lastenaufzügen, betrieben durch Seilzüge und Gegengewichte, ermöglichte den Transport von Gladiatoren, Tieren und Requisiten zwischen dem Hypogeum und der Arena und ermöglichten so überraschende Auftritte und choreografierte Schauspiele.

Dabei waren Gladiatorenkämpfe nicht nur Mittel der Unterhaltung der Massen. Sie waren ein politisches Instrument zur Demonstration von Macht, ein Mittel zur sozialen Kontrolle und militärischen Vorbereitung sowie ein zentrales Element der kulturellen Identität. Sie spiegelten römische Werte wie Mut, Disziplin und Todesverachtung wider und waren tief in der römischen Gesellschaft verwurzelt. Und sie waren ein wesentlicher Faktor der Unterhaltungsindustrie der Antike. Gladiatoren kämpfen zu lassen, kostete viel Geld. Hinzu kamen das Wettgeschäft und der Verkauf von Merchandising-Artikeln.

IMG_9437-scaled
Eine Multimedia-Installation zeigt, wie der Gang zwischen dem Ludus Magnus und dem Amphitheater aussah.

Ein unterirdischer Gang verband die wohl berühmteste Gladiatorenschule des römischen Reiches, den Ludus Magnus, mit dem Kolosseum. Eine Multimedia-Installation erweckt die Antike zum Leben und zeigt, wie Schiedsrichter und Gladiatoren durch die Gänge schreiten.

Die Gladiatoren selbst waren in verschiedene Typen unterteilt, jeder mit eigenen Waffen, Ausrüstungen und Kampfstilen. Eine Ausstellung unter dem Arenaboden zeigt die verschiedene Kämpfertypen. Zu den bekanntesten zählten der schwer gerüstete Murmillo, der wendige Retiarius mit Netz und Dreizack, der Thraex mit seinem gekrümmten Kurzschwert und der Hoplomachus mit Lanze und rundem Schild. Die Dauerausstellung zeigt Originalexponate und Rekonstruktionen antiker Gladiatorenausrüstungen.

Im Gegensatz zu den medial vermittelten Gemetzel in Hollywoodfilmen waren Gladiatorenkämpfe in der Antike reglementierte und ritualisierte Kämpfe, die zwar gefährlich waren, aber keineswegs immer tödlich endeten. Die meisten Gladiatoren blieben anonym. Einige jedoch haben durch ihre außergewöhnlichen Taten historische Berühmtheit erlangt, wie der Anführer des Gladiatorenaufstandes Spartacus oder der aus Syrien stammende Gladiator Flamma. Nach der Inschrift auf seinem Grabstein soll er 21 Jahre lang gekämpft und dabei viermal die Freilassung abgelehnt haben. In der TV-Serie Those About to Die trägt ein Gladiator seinen Namen.

Heute erleben Gladiatorenkämpfe durch Reenactmentgruppen ein unblutiges Revival und sind oft einer der Programmhöhepunkte bei Veranstaltungen wie in Carnumtum, Augusta Raurica, Xanten und anderen Römerfesten. Die modernen Zweikämpfer kommen beispielsweise aus der Gladiatorenschule Trier, von Armor Mortis, dem Verein Ars Gladiatoria oder der Familia Gladiatoria Carnuntina. Mit ihrem Engagement tragen sie viel zum anschaulichen Verständnis antiker Gladiatorenkämpfe bei.

IMG_9400-scaled
Moderne Bronzestatue des römischen Kaisers Trajan vor den Ruinen des Trajansforum.

Kaum weniger schön als die nächtliche Führung durch das Kolosseum ist ein nächtlicher Spaziergang auf der Via dei Fori Imperiali zwischen Kaiserforen und Forum Romanum. Die beleuchteten Statuen und archäologischen Areale, die Multimedia-Installationen und antiken Ruinen schlagen die Brücke zu einer vergangenen Zeit. Eine Zeit, die jährlich zum Geburtstag Roms durch den historischen Umzug Natale di Roma mit tausenden von Darstellern als Legionäre, Gladiatoren, Senatoren oder Priesterinnen wieder zum Leben erweckt wird.

IMG_9402-scaled
Auf die Wand des antiken Senatsgebäudes, der Curia Julia, auf dem Forum Romanum wird die Szene einer Senatssitzung projiziert.

Danke fürs Lesen. Möge Fortuna stets mit Dir sein. Hier kannst Du

Das Erbe Roms abonnieren
Loading
Weiterlesen:

2 Replies

  1. Und wieder ein toller Bericht, Danke dafür. Das ist wieder ein Punkt mehr der beim nächsten Besuch ansteht. Leider gibt es zur Zeit ja Unmengen an Baustellen und verhüllte Sehenswürdigkeiten wegen dem heiligen Jahr 2025. Also warten wir bis 2026. 😩

    • Vielen Dank für das freundliche Feedback! In 2025 wird es vermutlich viele Reisende UND viele Baustellen in Rom geben. Hoffen wir auf 2026. Bis dahin sind die ehemaligen Provinzen auch ein schöne Reiseziel. Ich denke gerade an die Türkei …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert