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Der Mannheimer Antikensaal: “Ich fühle mich edler und besser.”

Der Mannheimer Antikensaal mit seinen Gipsabgüssen griechisch-römischer Skulpturen strahlt nur noch wenig vom Ruhm vergangener Tage aus. Wer will, fühlt sich nach seinem Besuch aber immer noch edler und besser.

Auf den Stufen zum Mannheimer Antikensaal im zweiten Stock über dem Haupteingang der Universität ist ein Auszug aus der Veröffentlichung Brief eines reisenden Dänen des Dichters und Philosophen Friedrich Schiller aus dem Jahr 1785 zu lesen. “Heute endlich, habe ich eine unaussprechlich angenehme Ueberraschung gehabt. Mein ganzes Herz ist davon erweitert. Ich fühle mich edler und besser. Ich komme aus dem Saal der Antiken zu Mannheim. Hier hat die warme Kunstliebe eines deutschen Souverains die edelsten Denkmäler griechischer und römischer Bildhauerkunst in einem kurzen geschmackvollen Auszug versammelt.”

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Zitat von Friedrich Schiller auf der Treppe zum Mannheimer Antikensaal
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Skulpturen im Mannheimer Antikensaal
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Gipsabguss der Laokoon-Gruppe aus den Vatikanischen Museen in Rom.

Der schönste Hintern der Antike ist die Informationen über die Aphrodite Kallipygos übertitelt: Es handelt sich um den Gipsabguss einer Marmorstatue im Archäologischen Nationalmuseum Neapel. Die neapolitanische Marmorstatue ist eine römisch-kaiserzeitliche Kopie eines griechischen Originals aus der Zeit zwischen dem dritten und ersten Jahrhundert vor Christus. Ergänzt sind der Kopf mit rechter Schulter und Brust, der linke Arm mit Gewandstück, der rechte Unterarm und der rechte Unterschenkel mit Fuß. Wen die Statue darstellen soll, lässt sich nur vermuten. Nach dem griechischen Autor Athenaios befand sich in einem Tempel auf Syrakus ein Kultbild der Aphrodite Kallipygos (“mit dem schönem Hintern”). Die Griechen verehrten sie als Vertreterin einer Welt des persönlichen Glücks und Wohlstandes. Selbstverliebt wendet sich die Göttin nach hinten. Folgt man ihrem Blick, dann schaut sie vielleicht auf die spiegelnde Oberfläche eines Wasserbeckens, um ihren entblößten Hintern zu bewundern.

Der Apoll von Belvedere im Mannheimer Antikensaal ist ein Gipsabguss nach einer Marmorstatue in den Vatikanischen Museen. Es ist eine römisch-kaiserzeitliche Kopie einer Skulptur des griechischen Bildhauers Leochares aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Erneuert ist der rechte Unterarm und ergänzt ist die Andeutung eines Bogens in der linken Hand. Das Kultbild des Apollon zeigt den Gott in dem Moment nach dem Abschießen eines Pfeils. Köcher und Frisur sowie der nachträglich angedeutete Bogen sind typische Attribute bei der Darstellung Apollons. Die Schlange am Baumstamm wurde verschieden gedeutet. Soll sie für die heilbringenden Kräfte des Gottes stehen? Oder ist sie eine Anspielung auf den von Apoll besiegten Python-Drachen?

Die Skulptur mit den ausgestreckten Armen ist der sogenannte Gladiator Borghese und ein Gipsabguss nach einer Marmorstatue im Louvre-Museum in Paris. Die Statue ist ein Original des Bildhauers und Bronzegießers Agasias aus Ephesos aus dem Jahr 100 vor Christus. Der rechte Arm, das rechte Ohr und der Penis wurden ergänzt. Wen oder was die Statue darstellt, ist unklar. Nach dem Fund in der Nähe von Rom hat ihn die damalige Zeit Gladiator Borghese genannt, doch sehen wir einen Krieger, der wohl einen Feind von oben abwehrt. Die Statue hat realistische Muskulatur und ist nackt. Nach seiner Entdeckung wurde er eine Ikone für die Bewunderer der kraftvollen Kunst der Antike.

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Skulpturen im Mannheimer Antikensaal
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Informationstafel im Mannheimer Antikensaal

Die bedeutende Sammlung im Mannheimer Antikensaal diente damals der Ausbildung von jungen Künstlern, zog aber auch Intellektuelle und Prominenz aus ganz Europa an, unter ihnen Goethe, Schiller, Herder und Lessing. Mit der kurfürstlichen Residenz stand und fiel die Sammlung: als Karl Theodor von der Pfalz 1778 die bayerische Kurwürde antrat und nach München übersiedelte, nahm er auch die Abgüsse mit. Erst seit den 1970er Jahren gelang dem Mannheimer Archäologen Wolfgang Schiering sukzessive wieder, neue Abgüsse zu erwerben, um die alte Sammlung zumindest teilweise neu erstehen zu lassen. Sie wird seit 1991 im Schloss präsentiert. Aufgrund von Baumaßnahmen wurden die Statuen Ende 2013 vom Westflügel an ihren jetzigen Standort im Ostflügel versetzt. Im Rahmen eines Projektseminars des Historischen Institut Mannheims entstand die aktuelle Neupräsentation der Ausstellung. 

Webseite des Mannheimer Antikensaal und auf Google-Maps.

Weitere Abguss-Sammlungen in Basel, Berlin, Bonn, Göttingen, Kiel und München.

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