Rom am Rhein: Roms fließende Grenzen war eine von fünf Stationen der Archäologischen Landesausstellung NRW 2022. Die Ausstellung im Kulturzentrum am Neumarkt zeigte das Römische Erbe Kölns.
Städte dienten den Römern zur Sicherung ihrer Herrschaft in den Provinzen. In neu eroberten Gebieten ohne städtische Strukturen legten die Römer daher Siedlungen an. Auf einem hochwassersicheren Plateau direkt am Rhein entstand unter Kaiser Augustus das Oppidum Ubiorum, die Stadt der Ubier. Mit einem großen Kultzentrum und dem Hauptsitz des Statthalters besaß sie überregionale Bedeutung. Hier lebten die von rechts des Rheins umgesiedelten germanischen Ubier gemeinsam mit Römern und Galliern. Unter Kaiser Claudius bekam die Siedlung römisches Stadtrecht, wofür sich die römische Kaiserin Agrippina einsetze. Die Gattin von Claudius wurde einst in der Ubiersiedlung geboren. Unter Kaiser Domitian wurde die Colonia Claudia Ara Agrippinensium Hauptstadt der Provinz Niedergermanien.

Kölns römisches Erbe ist in der Stadt präsent. Die am Eingang zur Ausstellung präsentierte Statue ist ein kleineres Modell der Agrippina (der Jüngeren) vom Turm des Historischen Rathauses in Köln. Unter dem römischen Adler steht SPQR (Senat und Volk von Rom) und an ihrem Bein hängt ihr Sohn Nero mit einer Fackel. Kölner Humor und Anspielung auf den Brand in Rom. Sinnigerweise von der Agrippina Versicherung gesponsert. Außerdem sind am Rathausturm Statuen von Augustus und Agrippa, Postumus und Konstantin der Große aufgestellt.






Im antiken Köln lebten Einheimische und Zugezogene, Händler und Handwerker, ehemalige Soldaten. Aus den Inschriften von Weihe- und Grabsteinen sind Name und Herkunft bekannt. Oluper, Sohn des Cergaepurus, diente in einer Reitereinheit, die in Nordafrika aufgestellt wurde. Titus Flavius Bassus aus dem heutigen Bulgarien war ebenfalls Reitersoldat in der Garde des Statthalters und wurde wie viele seiner Kameraden im Gräberfeld nordwestlich der Stadt beigesetzt. Quintus Tarquitius Restitutus aus Italien war ein Zenturio der in Bonn stationierten Legion. Er dankte den Götter, dass die Bärenjagd für das Kölner Amphitheater erfolgreich verlief. Gatus, seine Gattin Demionca und dessen Söhne Athamas und Atrectus stammten aus dem Nordosten des heutigen Frankreichs. Was sie in Köln gemacht haben, ist nicht bekannt, aber drei Generationen der Familien sind nachgewiesen.

Das man gemeinsam mehr erreichen kann, war auch den Römern bekannt. Antike Vorläufer der heutige Vereine oder Genossenschaften waren die Kollegien. Aus dem dritten Jahrhundert ist eine Votivinschrift erhalten: “Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses hat […Jius Servandus dem Kollegium der in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium niedergelassenen Mehlhändler (?) (dies) gestiftet und geweiht.” Was Servandus dem Kollegium stiftete ist leider nicht bekannt.
Für die lokale Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs sorgten allerlei Gewerbe wie Bäcker, Metzger oder Gerber. Die überregional bedeutsamen Produzenten von Keramik und Glaswaren fanden die benötigten Rohstoffe wie Ton und Quarzsand in ausreichender Menge vor Ort. Produkte aus Köln fanden über Jahrhunderte hinweg über die Fernstraßen und den Rheinhafen ihre Abnehmer und machten Unternehmer wie den ehemaligen Legionär Lucius Poblicius wohlhabend. Im dritten Jahrhundert wurde eine Brücke über den Rhein errichtet und mit dem rechtsrheinischen Kastell Divitia gesichert. Die Brücke diente militärischen Zwecken, aber auch dem Handel mit den Stämmen im freien Germanien. Für den Papierkram, der in Verwaltung, Militär und Handel anfiel, nutzen die Römer neben Papyrus auch kleine hölzerne, mit Wachs bezogene Schreibtäfelchen. Die hat man auch andernorts im Römischen Reich gefunden.




Für Unterhaltung und Vergnügen bot das antike Köln die ganze Bandbreite einer Stadt, vom Kneipen- und Rotlichtviertel bis zu Theateraufführungen, Wellness in den Thermen und dem Spektakel der Gladiatorenkämpfe. Von dem Amphitheater der Colonia Claudia Ara Agrippinensium hat man noch keine Überreste gefunden, jedoch gibt es andere Hinweise wie die Grabsteine eines Gladiators und eines Gladiatorentrainers.

Das römische Köln umgaben weitläufige Gräberfelder entlang der Hauptausfallstraßen. Grabmonumente und Grabsteine nahe an der Stadt und nahe an der Straße waren begehrt und entsprangen dem Wunsch, in Erinnerung zu bleiben. Die Angehörigen statteten die Verstorbenen mit Beigaben aus: Ess- und Trinkgeschirr, Utensilien zur Körperpflege und persönliche Gegenstände wie Schmuck. Bis in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts ließen sich die Menschen überwiegend verbrennen, danach herrschte die Körperbestattung vor.


Mitte des dritten Jahrhunderts begannen germanische Gruppen wiederholt plündernd ins römische Rheinland einzufallen. Der Ausbau der Rheingrenze stabilisierte die Lage nur kurzzeitig. Die Stadt erlebte einen beinah nahtlosen Übergang von der römischen zur fränkischen Herrschaft.
Das Leben geht weiter, doch nicht immer sind die aktuellen Zeiten die besten Zeiten. Die Römerbrücke verfiel zwischen dem fünften und zehnten Jahrhundert und erst 1000 Jahre später gab es mit der Vorgängerin der heutigen Hohenzollernbrücke wieder eine feste Rheinüberquerung. Die Wasserversorgung und -entsorgung verfiel nach dem Ende der Römerzeit ebenso. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde auf Basis der römischen Anlagen ein neues System der Kanalisation aufgebaut.
Rom am Rhein: Roms fließende Grenzen vom 29. April 2022 bis 09. Oktober 2022 im Kulturzentrum am Neumarkt. Die weiteren Standorte der archäologischen Landesausstellung: Bonn, Detmold, Haltern und Xanten.